Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzung für einen Anspruch auf Schmerzensgeld ist, dass der das Bewusstsein des Verletzten auslöschenden Körperverletzung gegenüber dem alsbald und ohne zwischenzeitliche Wiedererlangung der Wahrnehmungsfähigkeit eintretenden Tod noch die Bedeutung einer abgrenzbaren, eigenständigen immateriellen Beeinträchtigung i.S.v. § 253 BGB zukommt, weil diese Vorschrift nach der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers weder für den Tod (als solchen) noch für die Verkürzung der Lebenserwartung eine (immaterielle) Entschädigung vorsieht.
2. Das kann - ebenso wie in den Fällen, in denen die Verletzungshandlung sofort zum Tode führt - selbst bei schwersten Verletzungen dann zu verneinen sein, wenn diese bei durchgehender Empfindungslosigkeit des Geschädigten alsbald den Tod zu Folge haben und der alsbaldige Tod nach den konkreten Umständen des Falles - insbesondere wegen der Kürze der Zeit zwischen Schadensereignis und Tod sowie nach dem Ablauf des Sterbevorgangs (in Sinne eines "notwendigen Durchgangsstadiums") - derart im Vordergrund steht, dass eine immaterielle Beeinträchtigung durch die Körperverletzung als solche nicht fassbar ist und daher auch die Billigkeit keinen Ausgleich in Geld gebietet.
3. Die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes steht bei vorsätzlichen und grausamen Verletzungstaten mit Todesfolge im Vordergrund, was auch in Fällen, in denen der Geschädigte die Verletzungshandlungen nur relativ kurze Zeit überlebt, den unausweichlichen Tod aber miterlebt hat, die Zuerkennung eines deutlichen Schmerzensgeldes rechtfertigt.
4. Ein eigenes Schmerzensgeld des Verletzten bzw. sodann Verstorbenen bzw. Getöteten darf nicht mit der Begründung vollständig aberkannt bzw. nicht geringer bemessen werden, dass es nicht (mehr) dem Verletzten bzw. sodann Verstorbenen bzw. Getöteten, sondern nach dessen Tod seinen Erben zugute kommt. Es ist vielmehr in der Höhe festzusetzen, wie es unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls in der Person des Geschädigten entstanden ist.
5. Für das Durchleiden von Todesangst kann dem Opfer grundsätzlich ein Schmerzensgeld zuerkannt werden, auch wenn das Opfer die Tat nur kurzfristig überlebt und später verstirbt.
6. Für die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs von Angehörigen des Getöteten ist nicht das Vorliegen eines oder mehrerer Mordmerkmale von vorrangiger Bedeutung, sondern die Schwere der Schuld bzw. der Grad der Brutalität (i.S.v. Unrechtsqualität) des Vorgehens des Täters.
7. Mit dem auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gerichteten Urteil werden alle Schadensfolgen abgegolten, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entweder bereits eingetreten oder objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt nach objektiven Maßstäben eines Sachkundigen vorhergesehen und bei der Entscheidung über das Schmerzensgeld berücksichtigt werden konnten. Neue Beeinträchtigungen kann der Verletzte bei fehlendem immateriellen Vorbehalt nur geltend machen, wenn sie in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren mangels objektiver Erkenn- oder Vorhersehbarkeit nicht berücksichtigt werden konnten.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 7 O 76/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17.10.2017 teilweise abgeändert und - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Kläger - insgesamt wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil vom 01.08.2016 wird teilweise aufrechterhalten, soweit der Beklagte hierdurch verurteilt wurde,
1.a. an die Kläger zu 1. und 2. als Gesamtgläubiger 12.581,97 EUR (materiellen Schadensersatz) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2015 zu zahlen;
1.b. an die Kläger zu 1. und 2. als Gesamtgläubiger 10.000,00 EUR (immateriellen Schadensersatz als Gesamtrechtsnachfolger) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2015 zu zahlen;
2. an den Kläger zu 2. 349,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2015 zu zahlen;
3. an die Klägerin zu 1. ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 EUR zu zahlen;
4. an den Kläger zu 2. ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 01.08.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Beklagten zu 44 % und den Klägern zu 1. und zu 2. zu 56 % auferlegt mit Ausnahme der Kosten der Säumnis des Beklagten im Termin vom 01.08.2016; diese werden dem Beklagten in vollem Umfang auferlegt.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden dem Beklagten und den Klägern zu 1. und 2. zu jeweils zu 50 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu v...