Leitsatz (amtlich)
›1. Zur Anspruchsgrundlage und Beweislast bei Verletzung durch einen Diensthund.
2. Besteht bei einem Diensthund die Gefahr, daß er im Einsatz in größeren Menschenmengen schnell zubeißt, muß der Hundeführer gegen unerwünschte Reaktionen des Hundes Vorsorge treffen, z.B. durch Anlegen eines Maulkorbes.
3. Wer sich nach einem Bundesligaspiel dem plötzlichen Lauf einer Gruppe von Fans anschließt, rechnet damit, daß ein Zusammenstoß mit den Fans der anderen Mannschaft gesucht wird. Er muß auch damit rechnen, daß die Polizei dies - zu Recht - zu verhindern sucht.‹
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 3 O 24/93) |
Gründe
Die zulässige Berufung des beklagten Landes hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klage ist nur in Höhe eines Betrages von 1.003,33 DM begründet.
I. Rechtsgrundlage für die Klageansprüche sind die §§ 839, 847 BGB, i.V.m. Art. 34 GG. Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und Schadensersatz, weil ihn ein Diensthund des beklagten Landes infolge mangelhafter Beaufsichtigung durch den Hundeführer (Zeuge M., Polizeibeamter im Dienste des Landes) gebissen habe. In einem solchen Fall kommt eine Haftung nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 833 Abs. 2 BGB in Betracht; den Halter des Tieres trifft keine Gefährdungshaftung, sondern eine Haftung aus vermutetem Verschulden. Diese Anspruchsgrundlage wird bei hoheitlichem "Einsatz" eines Tieres von der Bestimmung des § 839 BGB als Spezialvorschrift verdrängt, jedoch findet die Beweislastregelung des § 833 Abs. 2 BGB Anwendung (vgl. BGH VersR 1972, 1047, 1048).
II. Das beklagte Land ist dem Kläger grundsätzlich zum Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens verpflichtet, weil es den Entlastungsbeweis nach der vorgenannten Vorschrift nicht geführt hat.
Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, daß der Nachweis, der Polizeibeamte M. habe bei der Beaufsichtigung und Führung des Hundes "Areg" die erforderliche Sorgfalt walten lassen, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erbracht worden ist. Dem schließt der Senat sich an und nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug.
Die schriftliche Äußerung des Zeugen M. vom 6. Januar 1994 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Nach seiner Darstellung soll ein Hund bei einem Täter, der nicht mehr "flüchtet", mit dem antrainierten Verhalten des bloßen "Verbellens" reagieren. In dieser Weise hat "Areg" sich indessen nicht verhalten, sondern den bereits am Boden liegenden - und damit nicht mehr "fliehenden" - Kläger gebissen. Diese unerwünschte Reaktion des Tieres wird noch unterstrichen durch die von dem Zeugen selbst in der Beweisaufnahme vorgenommene Einschätzung, daß es sich bei "Areg" um einen sehr aktiven Hund handelt, bei dem die Gefahr besteht, daß er im Einsatz in größeren Menschenmengen schnell zubeißt. Dagegen hätte der Hundeführer Vorsorge - zum Beispiel durch Anlegen eines Maulkorbs oder eine noch kürzere Führung der Leine - treffen müssen.
III. Das beklagte Land ist jedoch nicht in vollem Umfang zum Ersatz verpflichtet, denn der Kläger hat zur Entstehung des Schadens überwiegend selbst beigetragen (§ 254 BGB):
Er hat sich nach dem Ende des Fußballspiels in die Gruppe der Mönchengladbacher Fans eingereiht und ist dem plötzlichen Lauf dieser Gruppe - zumindest - gefolgt, obwohl er damit rechnen mußte, daß es zu einem Zusammenstoß mit den Fans aus Köln kommen konnte und die Polizei dies - zu Recht - würde zu verhindern versuchen. Durch dieses Verhalten hat er sich ohne Notwendigkeit bewußt in die naheliegende Gefahr einer gewaltsamen Konfrontation begeben. Dies ist ihm bereits als erhebliches Mitverschulden anzulasten.
Hinzu kommt, daß der Kläger der - von ihm selbst eingeräumten - Aufforderung der Polizei, er solle stehenbleiben, keine Folge geleistet und dadurch erst den Anlaß zum Eingreifen des Beamten M. gegeben hat. Davon ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats auszugehen. Der Zeuge M. hat dies bestätigt und erklärt, der Kläger habe seine Aufforderung nicht beachtet, sondern sei weitergelaufen. Seine Aussage wird durch die Schilderung des Polizeibeamten R. gestützt, der bekundet hat, ein Hundeführer habe der Gruppe Einhalt gebieten wollen, ein Fan habe aber versucht, über die Fahrbahn zu laufen und sei dabei zu Fall gekommen. Des weiteren spricht auch die Aussage des Zeugen H., eines Bekannten des Klägers, indirekt für die Richtigkeit der Darstellung des Zeugen M.. H. hat nämlich eingeräumt, daß er und der Kläger zunächst weitergelaufen seien, weil sie sich von der Aufforderung der Polizei "nicht angesprochen gefühlt" hätten. Diesem Beweisergebnis stehen die Bekundungen der übrigen Zeugen nicht entgegen. Ihre Aussagen sind derart widersprüchlich, daß ihnen keinerlei Beweiswert zugemessen werden kann.
Angesichts seines gesamten Verhaltens trifft den Kläger ein Mitverschulden, das schwerer wiegt als der Verursachungsbeitrag des Hundeführers M.. Der Senat bewertet dieses Mitverschulden mit zwei Dritteln.
IV. Ersatz ...