Leitsatz (amtlich)
Der in § 7 HintG NW i.d. seit dem 01.06.2020 geltenden Fassung definierte Begriff des Beteiligten ist nicht statisch und schließt materielle Erwägungen nicht aus. Dies folgt schon aus dem Sinn und Zweck der Verfahrensbeteiligung. Sie dient dem Ziel, demjenigen, dem ein Recht an der Hinterlegungsmasse zusteht, die Wahrnehmung seiner Rechte im Hinterlegungsverfahren zu ermöglichen.
Daraus folgt zwingend:
1. Wer keine Rechte mehr an der Hinterlegungsmasse besitzt, verliert seine Beteiligtenstellung (wer auf seine Rechte am Hinterlegungsgegenstand verzichtet, sie durch Tod verliert oder seine Rechte überträgt). Der Rechtsnachfolger (Erbe, Zessionar) eines ehemaligen Beteiligten rückt in dessen Beteiligtenposition ein. Dies ist naturgemäß erst dann der Fall, wenn der rechtswirksame Erwerb in der gehörigen Form (§ 20 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 HintG NW) nachgewiesen ist.
2. Derjenige, der unzweifelhaft kein Recht (mehr) am Hinterlegungsgegenstand besitzt, ist kein Beteiligter. Dies entspricht der bisherigen allgemeinen Auffassung, wonach die formelle Beteiligteneigenschaft endet, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass eine materielle Berechtigung tatsächlich nicht (mehr) besteht
3. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 HintG NW ist auch derjenige Beteiligter, der in dem Antrag nach § 20 HintG NW als Empfänger bezeichnet ist. Schon aus dem Wortlaut folgt, dass es für die Beteiligtenstellung nicht genügt, einen Herausgabeanspruch gegenüber der Hinterlegungsstelle geltend zu machen. § 20 Abs. 1 HintG NW stellt nämlich über das Herausgabeverlangen hinaus weitere Anforderungen an den Antrag: dieser muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden und darin ist die Berechtigung zum Empfang des hinterlegten Gegenstandes nachzuweisen. Das bedeutet, dass die Berechtigung darzulegen und zu belegen ist, wenn nicht der Nachweis nach § 20 Abs. 2 HintG als geführt gilt.
Normenkette
HintG NRW § 7; HintG NRW § 19; HintG NRW § 20
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Aktenzeichen 7 O 161/21) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.05.2023 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Auszahlung eines Betrages i.H. von 17.995,84 EUR aus einer beim Amtsgericht Düsseldorf hinterlegten Masse.
Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 21.10.1994 wurde über den Nachlass der am 20.02.1992 verstorbenen E. Nachlassverwaltung angeordnet. Diese wurde nach Durchführung eines Gläubigeraufgebotsverfahrens mit Beschluss vom 18.06.1999 beendet.
Nach Aufhebung der Nachlassverwaltung konnten sich die Miterben, ihre beiden Kinder, nicht einigen. Aufgrund Antrags vom 05.10.2000 i.V.m. der Annahmeanordnung vom 09.11.2000 hinterlegte der ehemalige Nachlassverwalter Schuldverschreibungen und Zinsscheine zugunsten der Tochter und des Sohnes sowie zugunsten von 14 Gläubigern des Sohnes die aufgrund von Vollstreckungstiteln dessen Erbteil in den Jahren 1994 und 1995 gepfändet und sich zur Einziehung hatten überweisen lassen (Nr. 1-11) bzw. aufgrund von Forderungen von diesem abgetreten bekommen hatten (Nr. 12-14). Diese sind:
(...)
Der Hinterleger verzichtete auf die Rücknahme. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Hinterlegungsantrag Bezug genommen (Az. 4 HL - M 20/00, Anlage K 1). Die Schuldverschreibungen wurden eingelöst und ein Geldbetrag i.H. von 356.312,46 EUR hinterlegt (Az. 4 HL - M 28/01).
Die Tochter veräußerte und übertrug ihren Erbteil aufgrund notariellen Erbteilkaufvertrages vom 16.07.2003 an B (Bl. 164 ff. der Beiakte 4 HL M 20/20). Dieser war zwischen 2006 und 2012 Geschäftsführer der AG, deren Unternehmensgegenstand u.a. die gewerbliche Prozessfinanzierung sowie der Forderungskauf und deren Realisierung war.
Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 03.09.2009 - Az. 16 O 333/07 (Anlage B 2) - wurde die ungeteilte Erbengemeinschaft auseinandergesetzt, indem der Sohn und B jeweils verurteilt wurden, die Freigabe eines dem Erbteil des anderen entsprechenden Teils des hinterlegten Betrages zugunsten des anderen, im Falle des B in erster Linie auch zugunsten der im Hinterlegungsantrag genannten Pfändungspfandgläubiger des Sohnes in Höhe des diesen jeweils zustehenden Pfändungspfandrechts, zu erklären.
Am 25.07.2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG eröffnet und Rechtsanwalt Dr. O. zum Insolvenzverwalter bestellt (AG Stuttgart, 3 IN 536/11, Bl. 603 der Beiakte 4 HL M 28/01).
Aufgrund der Beschwerdeentscheidung der Präsidentin des Amtsgerichts Düsseldorf vom 09.10.2014 und 06.05.2015 wurde der Erbteil der Schwester i.H. von 78.388,74 EUR zzgl. Hinterlegungszinsen an die Rechtsnachfolger des B ausgezahlt (Anlage K 2).
Die Klägerin beantragte am 16.03.2018 bei der Hinterlegungsstelle u.a., aus dem restlichen Betrag von 277.923,72 EUR, der dem Erbteil des Sohnes entspricht...