Leitsatz (amtlich)

1. Der Rechtsanwalt darf ein vorteilhaftes Vergleichsangebot des unterhaltsberechtigten Prozessgegners nicht ohne ausreichende Beratung seines Mandanten ablehnen.

2. Die unterlassene Beratung ist jedoch nicht schadensursächlich geworden, wenn sich die Grundlage des Vergleichsangebots (hier: Einkommensverhältnisse des Mandanten) zum Vorteil des Gegners verändert hat und diesem hätte offenbart werden müssen.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 675, 779

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 10 O 384/99)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.05.2003; Aktenzeichen X ZR 128/01)

BGH (Urteil vom 26.03.2003; Aktenzeichen XII ZR 167/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 4.7.2000 verkündete Grundurteil der 10. Zivilkammer des LG Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Das Rechtsmittel der gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen Rechtsanwälte, mit welchem sie ihre dem Grunde nach erfolgte Verurteilung zu Schadensersatzleistungen bekämpfen, hat Erfolg. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin, die Beklagte zu 3) (nachfolgend: Beklagte), hat den Kläger zwar im vorausgegangenen Unterhaltsprozess (17 F 14/95 AG Wesel) fehlerhaft beraten, das feststellbare Beratungsdefizit ist aber nicht schadensursächlich geworden.

I. 1. Der Beratungsfehler der Beklagten lag darin, dass sie dem Kläger den Vergleichsvorschlag der Gegenseite vom 20.12.1996 (1.100 DM Trennungsunterhalt monatlich) als unzureichend und deshalb ablehnenswert darstellte, obwohl sie mangels ausreichender Informationen zu den aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers (Krankengeld seit 1.11.1996, Höhe der Abfindung) noch keine Veranlassung hatte, einen solchen Rechtsrat zu erteilen. Das galt erst recht, nachdem der Kläger am 6.1.1997 auf Anforderung der Beklagten die fehlenden aktuellen Daten nachgeliefert hatte. Unter Berücksichtigung des ihr nun vorliegenden Datenmaterials hätte die Beklagte erkennen müssen, dass das von der Gegenseite unterbreitete Vergleichsangebot jedenfalls für die Zeit ab November 1996 vorteilhaft erschien. Auf der Grundlage der Einkommensverhältnisse des Klägers und der feststellbaren Einkünfte dessen Ehefrau musste die Beklagte nun von folgender Unterhaltsberechnung ausgehen: (Wird ausgeführt.)

Selbst für den künftig zu erwartenden Bezug von Arbeitslosengeld war … mit einem Unterhaltsanspruch zu rechnen, der immer noch über dem Betrag lag, der von der Gegenseite vergleichsweise angeboten wurde: (Wird ausgeführt.)

Die Berechnungen zeigen, dass die Beklagte sogar damit rechnen musste, dass die Ehefrau sich ab Januar 1997 einen höheren Trennungsunterhaltsanspruch zu errechnen vermochte, als ihr im angefochtenen Urteil des FamG zugesprochen worden war (1.650 DM monatlich); aus diesem Grunde bestand jetzt sogar die Gefahr einer Anschlussberufung für den Zeitraum des Krankengeldbezugs. Es bestand demnach Anlass, den Kläger über diese (neu entstandenen) Risiken aufzuklären und unter Berücksichtigung des Vergleichsvorschlags der Gegenseite zu beraten. Dabei war zu beachten, dass es dem Kläger mit Blick auf das im ersten Rechtszug des Vorprozesses eingeholte fachmedizinische Gutachten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gelingen würde, den Einwand eingeschränkter Erwerbsfähigkeit der Ehefrau zu widerlegen. Höhere Einkünfte der Ehefrau als 750 DM monatlich (netto, bereinigt) konnten bei realistischer Betrachtung daher nicht zu Grunde gelegt werden. Dass die Beklagte in diesem Umfange den Kläger umfassend beraten hatte, behauptet sie selbst nicht.

2. Das Beratungsdefizit ist jedoch nicht schadensursächlich geworden. Bei umfassender Beratung im oben dargelegten Sinne wäre es bei hypothetischer Betrachtung dennoch zu einem Vergleichsabschluss auf der Grundlage des Vorschlags der Gegenseite nicht gekommen.

a) Es ist unstreitig, dass die Rechtsanwältin der Ehefrau den Vergleichsvorschlag vom 20.12.1996 auf der Grundlage des Datenmaterials unterbreitet hatte, welches bis dahin bekannt gewesen ist, also im Wesentlichen auf der Grundlage des Einkommens des Klägers, das er bis zum Ausscheiden aus den Diensten seines Arbeitgebers mit Ablauf des 31.10.1996 bezogen hatte. Nach diesen Daten schuldete der Kläger in der Tat seiner Ehefrau keinen Unterhalt von 1.650 DM monatlich, wie das FamG im vom Kläger angefochtenen Urteil des Vorprozesses erkannt hatte. Die berechtigt zu beanspruchenden Unterhaltsbeträge bewegten sich vielmehr in einer Größenordnung zwischen 1.000 DM und 1.100 DM monatlich, was unter den Parteien in diesem Prozess unstreitig ist.

b) Die Beklagte konnte, nachdem ihr Anfang Januar 1997 das neue Datenmaterial vorgelegen hatte, dem Kläger keineswegs, wie dieser meint, schlicht empfehlen, den Vergleichsvorschlag der Gegenseite aufzugreifen, ohne das neue Datenmaterial auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Mit Blick darauf, dass die Gehaltszahlungen des Klägers mi...

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