Leitsatz (amtlich)

1. Die Rechtsgrundsätze über die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen bei Organisationsverschulden sind auch auf den planenden Architekten oder Sonderfachmann anzuwenden, sofern er die Planung arbeitsteilig anfertigen lässt.

2. Fehlende eigene Sachkunde des Architekten oder Sonderfachmanns, die einer wirkungsvollen Überwachung der von ihm eingesetzten Mitarbeiter entgegen steht, begründet nicht den Vorwurf des Organisationsverschuldens.

 

Normenkette

BGB a.F. § 648 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Urteil vom 16.02.2006; Aktenzeichen 10 O 279/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Grund- und Teilurteil des LG Mönchengladbach vom 16.2.2006 - 10 O 279/03 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen; ausgenommen hiervon sind die Kosten der Nebenintervention, die der Streithelferin der Klägerin zur Last fallen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

A. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Mängeln seiner Planung einer Lüftungsanlage.

Die Klägerin ist Trägerin des Altenheims St. L. in N. Der Beklagte ist freier Ingenieur für heizungs-, lüftungs-, klima-, sanitär- und elektrotechnische Anlagen. Ihn beauftragte die Klägerin, die das von ihr betriebene Altenheim umbauen und erweitern lassen wollte, durch einen schriftlichen Ingenieurvertrag vom 15. bzw. 20.9.1993 (Bl. 18 ff. GA) u.a. mit Leistungen zur Herstellung der Wärmeversorgungs-, Brauchwassererwärmungs- und Raumlufttechnik (dort sog. Anlagengruppe 2). Im Einzelnen waren ihm gem. § 1 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 des Vertrags alle dem Leistungsbild des § 73 HOAI entsprechenden Leistungsphasen mit Ausnahme der Genehmigungsplanung übertragen. In § 9 Abs. 1 des Vertrags (Bl. 22 GA) war vereinbart, dass die Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten in fünf Jahren verjährten und dass die Verjährung mit dem Tag der Abnahme der vertraglichen Anlagen durch die Klägerin beginne, für später erbrachte Ingenieurleistungen mit deren Abnahme. § 9 Abs. 3 (Bl. 23 GA) bestimmte, dass sich der Ingenieur hinsichtlich solcher Schäden und sonstiger Mängel nicht auf die Einrede der Verjährung berufen könne, die während der Gewährleistungsfrist von der Klägerin mitgeteilt würden.

Die Ausführung der gesamten Erweiterungs- und Umbaumaßnahme erfolgte in drei Bauabschnitten. Das Gewerk Lüftungstechnik führte die Streithelferin der Klägerin aus. Für ihre Leistungen fanden am 25.1.1994, 20.1.1995 und am 20.12.1995 drei getrennte Abnahmen statt, die der Beklagte für die Klägerin vornahm. Über sie wurden Protokolle errichtet (Bl. 55-57 GA).

Am 6. und 7.6.2001 prüfte der staatlich anerkannte Sachverständige für Lüftungs-, Rauchabzugs- und CO-Anlagen Dipl.-Ing. V. aus K. im Auftrag der Klägerin auf Verlangen des Kreises V. die Lüftungsanlage und stellte zahlreiche Mängel fest. Diese hielt er in seinem Prüfbericht vom 5.7.2001 (Bl. 59 ff. GA) fest. Auf seine Feststellungen, niedergelegt auf S. 9 bis 13 des Prüfberichts (Bl. 67 bis 71 GA), wird Bezug genommen. In der Folgezeit fanden Verhandlungen zwischen den Parteien statt, zu denen teilweise auch der Haftpflichtversicherer des Beklagten hinzugezogen wurde. Von diesem erhielt die Klägerin eine Vorschusszahlung i.H.v. 50.000 EUR.

Die Klägerin hat gemeint, bei den von dem Sachverständigen V. festgestellten Mängeln handele es sich um Folgen gravierender Planungs- und Bauüberwachungsfehler des Beklagten, die dieser habe offenbaren müssen. Die Kosten der Beseitigung dieser Mängel betrügen mindestens 212.098,30 EUR. Abschließend könnten jedoch die Kosten nicht beziffert werden, weil weitere im Stadium der Durchführung der Mängelbeseitigungsmaßnahmen anfielen.

Mit ihrer am 17.6.2003 zugestellten Klage hat sie - unter Berücksichtigung der bereits erhaltenen Zahlung - beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 162.098,30 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozent über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen über den unter Ziff. 1 bezifferten Klageantrag hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Beseitigung der im Prüfbericht des Sachverständigen V. vom 5.7.2001 festgestellten Mängel der lüftungstechnischen Anlagen im Altenheim St. L. in N., entsteht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Er hat behauptet, die mit der Klage geltend gemachten Mängel seien nicht auf eine grob mangelhafte Planung zurückzuführen, sondern beruhten weit überwiegend auf Ausführungsfehlern, insb. der Streithelferin der Klägerin. Diese seien zum Teil bei der örtlichen Bauüberwachung nicht ...

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