Leitsatz (amtlich)
1. Die Ersatzzustellung in der Wohnung setzt voraus, dass der Zustellungsadressat dort lebt und nicht nur eine Kontaktadresse unterhält.
2. Der Erlass eines zweiten Versäumnisurteils nach Einspruch des Beklagten gegen einen Vollstreckungsbescheid ist fehlerhaft, wenn ihm die Anspruchsbegründung nicht nachweislich zugestellt worden ist.
Normenkette
ZPO §§ 178, 345, 700
Verfahrensgang
AG Kleve (Urteil vom 29.04.2004; Aktenzeichen 28 C 193/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das 2. Versäumnisurteil des AG Kleve vom 29.4.2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Berufung - an das AG zurückverwiesen.
Es wird angeordnet, dass die durch den Erlass des 2. Versäumnisurteils vom 29.4.2004 sowie die im Berufungsverfahren vor dem OLG entstandenen Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagten rückständigen Mietzins aus einem Mietverhältnis über Wohnraum geltend. Der Kläger ließ den Beklagten an ihrem Wohnort bei G. (Österreich) am 30.4.2003 einen Mahnbescheid über 8.293,95 EUR und am 26.8.2003 einen entsprechenden Vollstreckungsbescheid zustellen. Dagegen haben die Beklagten am 6.9.2003 unter der Adresse "bei M. T., M-Str. 26, K." Einspruch eingelegt. Nachdem der Kläger die Anspruchsbegründung eingereicht und diese Adresse als ladungsfähige Anschrift angegeben hatte, hat das AG die Beklagten unter dieser Adresse zu dem auf den 29.4.2004 bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Zustellungsurkunde fehlt ein Hinweis auf die Übersendung der Anspruchsbegründung. Wenige Tage vor dem Verhandlungstermin teilten die Beklagten dem AG mit, sie hätten weder Klageschrift noch Ladung erhalten und vom Termin zufällig erfahren.
Im Termin erließ das AG gegen die Beklagten ein zweites Versäumnisurteil. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten u.a. mit dem Antrag, unter Aufhebung des zweiten Versäumnisurteils die Sache an das AG zurückzuverweisen. Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat insofern Erfolg, als sie zur Zurückverweisung der Sache an das AG Kleve führt.
1. Die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung über die Berufung der Beklagten ergibt sich aus § 119 Abs. 1 Nr. 1b) GVG.
2. Die Beklagten haben mit ihrem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache Erfolg, weil das 2. Versäumnisurteil des AG Kleve vom 29.4.2004 nicht hätte ergehen dürfen und die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nicht gegeben sind.
a) Die Beklagten sind zur mündlichen Verhandlung vom 29.4.2004 nicht ordnungsgemäß geladen worden, weil die Ladung in K. und nicht am Wohnsitz der Beklagten in Österreich erfolgte. Es kann nicht angenommen werden, dass sie nach Prozessbeginn ihre Wohnung nach K. verlegt haben. Bei einer Wohnung handelt es sich um Räume, in denen der Adressat zur Zeit der Zustellung lebt und insb. schläft (BGH MDR 1978, 558; MDR 1992, 809; v. 13.10.1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 178 Rz. 4, m.w.N.). Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse. Ob sich in den Räumen der Wohnsitz befindet (§ 7 BGB) oder der Adressat dort polizeilich gemeldet ist, ist unwesentlich (BGH NJW 1978, 1858; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 178). Auch auf die Abmeldung bei der Meldebehörde kommt es nicht an (BGH v. 4.3.1986 - VI ZR 242/84, NJW-RR 1986, 1083; v. 13.10.1993 - XII ZR 120/92, NJW-RR 1994, 564 [565]; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 178 Rz. 6, m.w.N.). Andererseits begründet die Angabe einer "Kontaktadresse" für Korrespondenz keine Wohnung und ermöglicht deshalb die Ersatzzustellung nicht (BGH v. 16.6.1993 - VIII ZB 39/92, MDR 1993, 900).
Für die Annahme einer Wohnung der Beklagten i.S.v. § 178 Abs. 1 ZPO reichen die Angaben des Klägers und die sonstigen Umstände nicht aus. Aus den Mitteilungen der österreichischen Justiz geht lediglich hervor, dass die Beklagten eine Wohnsitzverlegung beabsichtigten und die übersandten Schriftstücke nicht abgeholt haben. Außerdem handelt es sich bei der von dem Kläger mitgeteilten Adresse in K., unter der die Beklagten ihre Schreiben verfasst haben, nur um eine Kontaktadresse, an der sich unstreitig die Wohnung des Sohnes der Beklagten befindet. Dass auch die Beklagten dort wohnen, ist nicht festgestellt.
b) Die Beklagten sind zudem ausweislich der Zustellungsurkunden ohne Beifügung der Klagebegründung geladen worden, obwohl dies richtigerweise vom Amtsrichter unter dem 17.2.2004 verfügt war. Da zur Vorbereitung auf den Verhandlungstermin notwendige Schriftstücke fehlten, handelte es sich auch aus diesem Grunde um eine nicht ordnungsgemäße, weil unvollständige Ladung zum Verhandlungstermin. Denn gegen die Beklagten hätte gem. §§ 700 Abs. 6, 345 ZPO ein zweites Versäumnisurteil nicht erlassen werden dürfen, weil die Voraussetzungen von § 331 Abs. 1 und 2 erster Halbsatz...