Leitsatz (amtlich)
1. Ein unberechtigtes Räumungsverlangen des Vermieters, dass sich auf einen Teil der gemieteten Fläche bezieht, rechtfertigt nicht schon ohne weiteres die Einstellung aller Mietzahlungen.
2. Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen, die der vertragsgemäßen Nutzung entgegenstehen, stellen dann einen Fehler der Mietsache dar, wenn sie mit der Beschaffenheit der Mietsache zusammenhängen, nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben und mietvertraglich nichts Abweichendes vereinbart ist.
3. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch, die zu einer Minderung berechtigt, kommt nur dann in Betracht, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjektes in der erforderlichen Form untersagt hat oder ein behördliches Einschreiten als sicher zu erwarten ist.
4. Nutzungsentschädigung kann der Vermieter nicht beanspruchen, wenn trotz fehlender Räumung ein Vorenthalten der Mietsache nicht mehr gegeben ist, nachdem der Vermieter Schlösser zu einzelnen Mieträumen ausgetauscht und dem Mieter den entsprechenden Zugang versperrt hat
Normenkette
BGB §§ 535-536, 543, 546a
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 01.04.2010; Aktenzeichen 1 O 374/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1.4.2010 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Duisburg - Einzelrichter - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin EUR 6085,07 nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 446,25 seit 1.8.2009 und aus je EUR 1.253,07 seit 5.8.2009, 4.9.2009, 6.10.2009 und 5.11.2009 sowie aus EUR 626,54 seit 4.12.2009 zu zahlen.
Die Beklagten werden desweiteren als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten i.H.v. EUR 859,80 nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.10.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 29 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 71 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtstreits zweiter Instanz werden der Klägerin 1/3 und den Beklagten als Gesamtschuldnern 2/3 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Nachdem die Klägerin die Klage i.H.v. 1.230,25 EUR nebst Zinsansprüchen mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, steht ihr gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gem. §§ 535 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf rückständigen Mietzins i.H.v. 446, 25 EUR für den Zeitraum Dezember 2008 bis Juli 2009 sowie i.H.v. weiteren 2.506,14 EUR (2 mal 1.392,30 EUR abzgl. eines Minderungsbetrages von 10 %, mithin 2 mal 1.253,07 EUR) monatlich für die Monate August und September 2009 zu. Darüber hinaus steht ihr entweder gem. § 535 Abs. 2 BGB als weitere Miete oder gem. § 546a BGB als Nutzungsentschädigung wegen verspäteter Rückgabe der Mietsache ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 3.132,86 EUR (2,5 mal 1.392,30 EUR abzgl. eines monatlichen Minderungsbetrages von 10 %) für die Monate Oktober bis 15.12.2009 zu. Dabei kann dahinstehen, ob das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 7.9.2009 oder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten zum 15.12.2009 beendet worden ist. Denn die Ansprüche aus § 535 BGB und aus § 546a BGB sind in der Höhe identisch. Der geschuldete Mietzins ist gem. § 536 BGB um 10 % gemindert, da die Klägerin den Beklagten die Nutzung des vermieteten Hofes ab 1.8.2009 untersagt hat. Hinsichtlich dieses Minderungsbetrages hat die Klägerin die Klage mit Zustimmung der Beklagten im Wesentlichen zurückgenommen. Die Differenz ergibt sich daraus, dass der geminderte Mietzins nicht 1.253.61 EUR, sondern nur 1.253,07 EUR (1.392,30 EUR minus 139.23 EUR) beträgt.
Dagegen ist ein weiterer Anspruch auf Nutzungsentschädigung für den Zeitraum vom 16.12.2009 bis 27.2.2010 gem. § 546a BGB auch bei Annahme einer Minderung von 20 %, die sich die Klägerin nach ihrer Klagerücknahme anrechnen lassen will, nicht gegeben. Insoweit war die Klage abzuweisen.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten waren diese nicht berechtigt, ab August 2009 sämtliche Mietzahlungen einzustellen, weil die Klägerin in ihrem Schreiben vom 22.7.2009 die fehlerhafte Rechtsauffassung vertreten hatte, den Beklagten den Hof nicht mitvermietet zu haben, und diese aufgefordert hatte, den Hof unverzüglich, spätestens bis zum 31.7.2009 zu räumen. Dieses unberechtigte Räumungsverlangen der Klägerin führt gem. § 536 BGB lediglich zu einer Minderung des Mietzinses um 10 %.
a. Die Hoffläche gehörte zu den Mietflächen, deren Gebrauch die Klägerin gem. § 535 Abs. 1 S. 1 BGB den Beklagten zu gewähren hatte. Aus § 1 des Mietvertrages (MV) der Parteien folgt, dass die Klägerin den Beklagten u.a. ein "Ladenlokal, s. Grundriss, [und] die gelb umrandete Fläche" vermietet hat. Die Klägerin hat in zweiter Instanz nicht mehr substantiiert bestritten, dass der Hof die gelb umrandete Fläche des § 1 MV darst...