Leitsatz (amtlich)
Wird bei einer längerfristigen Observation festgestellt, dass der Beschuldigte ein Kraftfahrzeug ohne die erforderliche Fahrerlaubnis führt, dürfen die erlangten personenbezogenen Daten nicht in dem Strafverfahren wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verwendet werden. Denn zur Aufklärung einer Straftat nach § 21 Abs. 1 StVG, die schon allgemein betrachtet keine Straftat von erheblicher Bedeutung darstellt, hätte eine längerfristige Observation nicht angeordnet werden dürfen (Gedanke des "hypothetischen Ersatzeingriffs").
Normenkette
StPO § 161 Abs. 3, § 163f Abs. 1, § 479 Abs. 2 S. 1; StVG § 21 Abs. 1
Tenor
Die Revision wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Mit der Anklage ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, am 27. Januar 2021 gegen 10:57 Uhr in Duisburg auf der ... Straße den Pkw Opel Tigra, amtliches Kennzeichen ..., geführt zu haben, ohne im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein. Dies sei dem Angeklagten auch bewusst gewesen. Er sei zu einer Hauptverhandlung bei dem Amtsgericht Duisburg-Hamborn gefahren, bei der er wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden sei.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen, weil die Erkenntnisse zu dem Tatvorwurf bei einer längerfristigen Observation in anderer Sache erlangt worden seien und deshalb in dem vorliegenden Verfahren ein Beweisverwertungsverbot bestehe.
Hiergegen richtet sich die (Sprung-)Revision der Staatsanwaltschaft, die sich auf die Aufklärungsrüge und die Sachrüge stützt.
II.
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
1.
Die Aufklärungsrüge greift nicht durch.
Das Amtsgericht hat zu Recht von der Vernehmung des Zeugen ... abgesehen. Denn die Beobachtung des Angeklagten bei der ihm zur Last gelegten Tat ist im Rahmen einer längerfristigen Observation (§ 163f StPO) erfolgt, die in anderer Sache wegen des Verdachts des banden- und gewerbsmäßigen Betruges angeordnet worden war. Die dadurch erlangten Erkenntnisse unterliegen im vorliegenden Verfahren gemäß § 479 Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 161 Abs. 3 Satz 1 StPO einem Beweisverwertungsverbot.
Ist eine Maßnahme nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässig, so gilt für die Verwendung der aufgrund einer solchen Maßnahme erlangten Daten in anderen Strafverfahren die Regelung des § 161 Abs. 3 StPO entsprechend (§ 479 Abs. 2 Satz 1 StPO). Nach der in Bezug genommenen Verwendungsbeschränkung des § 161 Abs. 3 Satz 1 StPO dürfen die aufgrund einer solchen Maßnahme erlangten personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme betroffenen Personen zu Beweiszwecken im Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach diesem Gesetz hätte angeordnet werden dürfen (Gedanke des "hypothetischen Ersatzeingriffs"). Dies ist bei einer längerfristigen Observation hinsichtlich eines Vergehens nach § 21 Abs. 1 StVG nicht der Fall.
a)
Bei den Erkenntnissen aus der am 27. Januar 2021 durchgeführten Observation des Angeklagten handelt es sich um personenbezogene Daten.
Für die Bestimmung des in der StPO nicht eigens definierten Begriffs der "personenbezogenen Daten" kann auf die Legaldefinition des Art. 4 Nr. 1 DSGVO zurückgegriffen werden (vgl. Menges in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2018, § 98a Rdn. 3). Danach sind "personenbezogene Daten" alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen. Dabei wird als identifizierbar eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann.
Diese Legaldefinition umfasst ohne Einschränkung "alle Informationen", die sich auf eine Person beziehen, und ist daher grundsätzlich weit zu verstehen. Darunter fallen Identifikationsmerkmale, äußere Merkmale, innere Zustände sowie die sachlichen und sonstigen persönlichen Verhältnisse einer natürlichen Person (vgl. Klar in: Kühling/Buchner, DSGVO, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Abs. 1 Rdn. 8).
Bei der im Rahmen längerfristiger Observation erlangten Information, dass der Angeklagte zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort als Fahrer eines bestimmten Pkw in Erscheinung getreten ist, handelt es sich um personenbezogene Daten, bei denen Erkenntnisse zu dem Verhalten einer optisch identifizierten Person und Erkenntnisse zu deren sachlicher und räumlicher Beziehung (Pkw, Fahrtstrecke) kombiniert werden. Die Einstufung der Erkenntnisse als personenbezogene Daten wird dadurch best...