Leitsatz (amtlich)
1. Nur ein endgültiger Ausschluss der Minderung, der dem Geschäftsraummieter bei Vorliegen eines den vertragsgemäßen Gebrauch einschränkenden Mangels auch den Rückzahlungsanspruch verwehrt, benachteiligt den Mieter unangemessen gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Anschluss an BGH NJW 2008, 2254 Rn. 16ff)). Eine explizite Klarstellung, dass dem Mieter noch ein Bereicherungsanspruch verbleibt, ist grundsätzlich nicht erforderlich; eine Ausnahme gilt wegen § 305c Abs. 2 BGB dann, wenn die Klausel zwar auch so verstanden werden kann, dass ein Bereicherungsanspruch verbleibt, eine Gesamtschau der AGB des Vermieters jedoch einen vollständigen Ausschluss des Minderungsrechts nahelegt (Anschluss an BGH, Urteil vom 12.03.2008 - XII ZR 147/50 Rn .16ff).
2. Einer Privatperson als Vermieter kann ein Kündigungsschreiben auch über den Briefkasten einer GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter der Vermieter ist, wirksam zugehen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles anzunehmen ist, dass die GmbH als Empfangsvertreterin (§ 164 Abs. 3 BGB) oder als Empfangsbotin des Vermieters fungiert.
3. Ansprüche des Vermieters auf Nutzungsersatz gem. §§ 987ff. BGB bzw. gem. §§ 812ff. BGB, die in Anspruchskonkurrenz zu § 546a Abs. 1 BGB stehen, setzen voraus, dass der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses tatsächlich Nutzungen iSv § 100 BGB gezogen hat (Anschluss an BGH NJW 2017, 2997 Rn. 32).
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 7 O 98/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im Übrigen das am 10.09.2020 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Wuppertal teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neugefasst:
1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.856,- nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2019 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten erster Instanz des ehemaligen Beklagten zu 1) zu tragen.
Die sonstigen Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 89 % und die Beklagte zu 2) zu 11 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 79 % und die Beklagte zu 2) zu 21 % zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht - nachdem er bereits in erster Instanz mit Zustimmung des ehemals im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch genommenen Beklagten zu 1) einen gewillkürten Parteiwechsel vorgenommen hat - gegen die Beklagte zu 2) in der Berufungsinstanz zuletzt noch Zahlung von Mietzins in Höhe von insgesamt EUR 22.848,- aufgrund eines gewerblichen Mietvertrages vom 19.07.2007 (Anlage B 1, GA 55) über eine in M. gelegene Lagerhalle geltend.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge der Parteien wird auf das angefochtene Urteil gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen, mit dem das Landgericht u.a. die in zweiter Instanz noch weiter verfolgten Klageanträge des Klägers abgewiesen hat.
Zu ergänzen ist der Sachverhalt dahingehend, dass der streitgegenständliche Mietvertrag ("MV") in § 10 Nr. 1 folgende Regelung enthält:
"§ 10 Minderung, Aufrechnung, Zurückbehaltungsrecht
1. Der Mieter kann gegen die Miete weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben oder die Miete mindern. Hiervon ausgenommen sind Forderungen des Mieters wegen Schadensersatz für Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz infolge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat, und andere Forderungen aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind.
Die Aufrechnung oder die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist nur zulässig, wenn der Mieter seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angezeigt hat."
Das Landgericht hat - im zweitinstanzlich noch relevanten Umfang - die Klageabweisung nach Vernehmung von Zeugen wie folgt begründet: Für die Zeit ab September 2018 habe der Kläger keinen Anspruch mehr auf Entrichtung von Mietzins, weil die Beklagte zu 2) das Mietverhältnis mit Schreiben vom 30.05.2018 (Anlage B 3, GA 74) wirksam gekündigt habe und dieses daher mit Ablauf des 31.08.2018 beendet worden sei. Der notwendige Zugang der Kündigung beim Kläger sei dadurch erfolgt, dass der Zeuge X das von dessen Vater - dem ehemals Beklagten zu 1) - unterschriebene Schreiben am 30.05.2018 in den Briefkasten der W-GmbH - deren geschäftsführender Gesellschafter der Kläger unstreitig ist - eingeworfen habe. Dass das Schreiben an die Privatadresse des Klägers adressiert war, sei unschädlich. Insbesondere sei es unerheblich, dass es sich um den Briefkasten der W-GmbH gehandelt habe. Bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge sei nämlich gleichwohl mit einer Kenntnisnahme durch den Kläger am 31.05.2018 zu rechnen gewesen. Die Beklagte...