Leitsatz (amtlich)
Zu den Sorgfaltspflichten eines Tiefbauunternehmers bei Bauarbeiten an öffentlichen Straßen in Bezug auf Telekommunikationskabel privater Netzbetreiber, die über eine Lizenz zur Verlegung von Telekommunikationskabel nach dem Telekommunikationsgesetz verfügen.
Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 19.01.2004; Aktenzeichen 2 O 109/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.1.2004 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Duisburg abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Klageantrag wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Im Übrigen wird der Rechtsstreit zur Durchführung des Höheverfahrens an das LG zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten ist.
Gründe
I. Die Klägerin bietet Telekommunikationsdienstleistungen an. Sie hat in mehreren europäischen Ländern unterirdisch Telekommunikationslinien verlegt, deren Länge allein in Deutschland 2.800 Kilometer beträgt. Die Beklagte war am 27.9.2001 als Tiefbauunternehmen in der N.-straße in A. mit Bauarbeiten befasst, wobei sie neu errichtete Reihenhäuser an das öffentliche Versorgungsnetz für Wasser, Gas, Strom und Telefon anschließen sollte. Im Zuge der Ausschachtungsarbeiten erfasste der von ihr eingesetzte Bagger, der von dem bei ihr angestellten Zeugen D. bedient wurde, in Höhe des Hauses Nr. 39 im Bereich des Gehwegs ein Glasfaserkabel, welches die Klägerin zuvor im Auftrag der Firma I. GmbH durch ihre Subunternehmerin, die Firma F. GmbH beim Bau der Telekommunikationslinie im Bereich der Sektion 3 mit der Bezeichnung "L.; Abschnitt O" verlegt hatte.
Die Klägerin, die die Beklagte sowohl aus eigenem wie aus abgetretenem Recht der F. GmbH (Abtretungserklärung vom 1.8.2003, Bl. 96 GA) und der A (Abtretungserklärung vom 13.1.2004, Bl. 247 GA) wegen Beschädigung des Glasfaserkabels auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, macht geltend, die Beklagte habe die dieser obliegenden Erkundigungs- und Sicherungspflichten bezüglich ihres Telekommunikationskabels verletzt. Da sich die Beklagte bei der Stadt A nicht nach dem Verlauf des von ihr verlegten Telekommunikationskabels erkundigt habe, hätte sie zumindest vor Beginn der Bauarbeiten über das Internet eine aktuelle Liste derjenigen Unternehmen, die von der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation eine Lizenz zum Verlegen von Telekommunikationsleitungen erhalten haben, abrufen können und müssen. Sie behauptet, bei dem Vorfall sei ein Glasfaserkabel so beschädigt worden, dass es habe ersetzt werden müssen. Dadurch seien ihr Kosten i.H.v. 84.120,66 Euro entstanden; wegen der Einzelheiten wird auf die S. 4 bis 6 der Klageschrift (Bl. 4 bis 6 GA) verwiesen.
Die Beklagte macht geltend, sie habe vor Beginn der Bauarbeiten bei allen in Frage kommenden Stellen einschließlich der Stadt A Auskünfte und Kabelpläne zur genauen Lage etwaiger Leitungen eingeholt. Danach verliefen in der Straßenmitte die Wasserleitung und im Bürgersteigbereich vor den Neubauten die Telefon-, Elektro- und Gasleitungen. Von weiteren Versorgungsleitungen habe sie nichts gewusst, geschweige denn davon, dass die Klägerin im Stadtgebiet von A. Telekommunikationskabel verlegt habe. Wie sich im Nachhinein herausgestellt habe, seinen zwar bei der Stadt A. Informationen über die Verlegung von Telekommunikationskabel der Klägerin vorhanden gewesen. Allerdings habe ihr die Stadt A. bestätigt, dass sie über private Leitungstrassen und Kabelbetreiber wegen des zu hohen Verwaltungsaufwandes keine Auskünfte erteile und sich Tiefbauunternehmer, die im Stadtgebiet tätig werden wollten, mit eigenen Recherchen auch nach der Existenz solcher Kabelbetreiber selbst behelfen müssten. Andere Möglichkeiten, die Klägerin als Kabelverlegungsunternehmen und Kabelnetzbetreiberin im Stadtgebiet von A. mit zumutbarem Rechercheaufwand herauszufinden, hätten nicht bestanden, nachdem die Stadt als Auskunftsstelle nicht zur Verfügung gestanden habe.
Bei der Ausführung der Arbeiten habe sie zunächst sämtliche Kopflöcher und Gräben durch Suchschlitze erkundet und erst anschließend in der sondierten Tiefe mit dem Bagger ausgeschachtet. Trotz der Suchschlitze habe sie die Telekommunikationsleitung der Klägerin nur deshalb nicht festgestellt, weil diese anders als die übrigen Leitungen im Bereich der Schadensstelle - unstreitig - nicht in gleichbleibender Tiefe verlaufen sei, sondern ein Gefälle aufgewiesen habe. Die Beklagte bestreitet schließlich die Aktivlegitimation der Klägerin und die Höhe des Schadens und beruft sich auf ein Mitverschulden der Klägerin wegen unzureichender Hinweise auf die Leitung.
Das LG hat durch Vernehmung der Zeugen F. und H. Beweis über die von der Beklagten vor Beginn der Bauarbeiten eingeholten Auskünfte zur Verlegung der Versorgungsleitungen und der Einzelheiten der durchgeführten Arbeiten erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.12.2003 (Bl. 212 bis 220 GA) verwiesen.
Auf der Grundlage dieser Beweisaufnahme hat ...