Leitsatz (amtlich)

1. Das Revisionsgericht hat auch ohne entsprechende Verfahrensrüge zu prüfen, ob das angefochtene Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des amtsgerichtlichen Urteils, die der Überprüfungskompetenz des Berufungsgerichts unterlagen, entschieden hat. Es hat deshalb auch zu prüfen, ob das Berufungsgericht die von dem Berufungsführer erklärte Berufungsbeschränkung zu Recht als wirksam angesehen hat.

2. Auch wenn eine genaue Bestimmung des Wirkstoffes des Betäubungsmittels - etwa mangels Sicherstellung - nicht möglich ist, darf der Tatrichter die Frage nach dem Wirkstoffgehalt nicht offen lassen, sondern muß unter Berücksichtigung anderer hinreichend feststellbarer Tatumstände wie Herkunft, Preis und Beurteilung des Betäubungsmittels durch Tatbeteiligte und letztlich des Grundsatzes "Im Zweifel für den Angeklagten" feststellen, von welchem Wirkstoffgehalt und damit von welcher Qualität des Betäubungsmittels mindestens auszugehen ist.

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Neuss hat den Angeklagten am 16. November 1999 wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt

Dagegen hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die er in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat.

Die Strafkammer hat das amtsgerichtliche Urteil abgeändert. Es hat den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 3 Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

II.

Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Das Landgericht ist zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten ausgegangen. Infolgedessen hat es den Umfang seiner Prüfungs- und Feststellungspflicht verkannt.

1.

Das Revisionsgericht hat auch ohne entsprechende Verfahrensrüge von Amts wegen zu prüfen, ob das angefochtene Berufungsurteil über alle Entscheidungsbestandteile des amtsgerichtlichen Urteils, die der Überprüfungskompetenz der Berufungskammer unterliegen, entschieden hat. Deshalb hat es, wenn wie hier das Berufungsgericht wegen der vom Berufungsführer erklärten Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO) sich nur mit einzelnen Teilen des amtsgerichtlichen Urteils befaßt hat, auch nachzuprüfen, ob und inwieweit die Berufung rechtswirksam auf diese Teile beschränkt worden ist (BGH NStZ 1984, 566; BayObLG OLGSt Nr. 7 zu § 29 BtMG; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. 1999, Rz. 4 zu § 352).

2.

Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist grundsätzlich zulässig (vgl. BGHSt 29, 359;  33, 59). Sie ist nur dann unwirksam, wenn die zum objektiven Tatgeschehen und zur inneren Tatseite getroffenen Feststellungen derart unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, daß sie den Schuldspruch nicht tragen und deshalb keine Grundlage für die Überprüfung des allein angefochtenen Rechtsfolgenausspruchs bilden (BGHSt 33, 59; NStZ 1994, 130; Senat NStZ 1992, 298; OLG Köln VRS 82, 39; BayObLG OLGSt Nr. 7 zu § 29 BtMG; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, Rz. 16 zu § 318).

Ein solcher Fall unwirksamer Berufungsbeschränkung liegt hier vor.

3.

a)

Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen festgestellt:

"1.

Im Zeitraum Dezember 1998 bis Januar 1999 verkaufte der Angeklagte in acht Fällen an den Drogenkonsumenten K R jeweils einen 5-Gramm Bubble Heroin für jeweils 170, -- DM bis 180, -- DM. Der Angeklagte hatte das von ihm verkaufte Heroin bei Schwarzafrikanern erworben und auf den von ihm bezahlten Preis je Bubble 20, -- DM aufgeschlagen. . .

2.

An den Drogenkonsumenten H B verkaufte der Angeklagte Anfang Dezember einen 5-Gramm Bubble Heroin für 150, -- DM. Dieses Rauschgift hatte der Angeklagte ebenfalls von Schwarzafrikanern zuvor erworben und eine Verdienstspanne aufgeschlagen.

3.

Im Juli 1998 verkaufte der Angeklagte in vier Fällen an den Zeugen C d J unter gleichen Bedingungen wie bei den späteren Heroingeschäften jeweils einen 5-Gramm Bubble Heroin.

4.

Am 30. Oder 31. 12. 1998 verkaufte der Angeklagte an den Zeugen C d J und eine weitere Person, die namentlich nicht bekannt geworden ist, insgesamt drei Bubbles Heroin zu je 5 Gramm zu einem Preis von jedenfalls 450, -- DM. Auch dabei hat der Angeklagte je Bubble einen Verdienst von 20, -- DM erzielt.

5.

Ferner verkaufte der Angeklagte an den Zeugen C d J am 03. 01. 1999 einen weiteren 5-er Bubble Heroin zum Preis von 150, -- DM. "

b)

Damit hat das Amtsgericht den Schuldumfang nicht ausreichend bestimmt, weil keine Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt des Heroingemisches getroffen worden sind.

aa)

Neben der Menge des Rauschgifts, auf die sich...

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