Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Umgangskosten für die Besuche des im Heim lebenden Elternteils beim Elternunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Soweit das unterhaltspflichtige Kind Kosten für die Besuchsfahrten zum im Heim lebenden Elternteil aufwendet, findet kein Anspruchsübergang gem. § 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII statt (§ 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII).
Normenkette
SGB XII § 94 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Neuss (Urteil vom 21.05.2010; Aktenzeichen 50 F 244/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des AG Neuss vom 21.5.2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheit darf auch durch eine selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bankbürgschaft geleistet werden.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die 1933 geborene Mutter der Beklagten, die zunächst den entsprechenden Kostenaufwand bis März 2001 selbst zu tragen in der Lage war, erhält seit April 2001 die Klageforderung übersteigende Hilfe zur Pflege nach dem BSHG bzw. nach den Bestimmungen des SGB-XII; sie lebt in einem Seniorenheim in G. (Bl. 42 GA). Über die Hilfegewährung hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 11.4.2001 informiert (Bl. 21 GA). Nach einer erneuten Überprüfung der Einkünfte gemäß Schreiben vom 29.8.2008 (Bl. 26 ff. GA) forderte die Klägerin die Beklagte zunächst zu einer monatlichen Zahlung von 95 EUR (Bl. 2, 36 GA) und sodann von 129 EUR bzw. 118 EUR auf.
Das AG hat mit Urteil vom 21.5.2010 die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei im Ergebnis nicht leistungsfähig, weil ihr Einkommen unter dem Selbstbehalt von 1.400 EUR liege. Von dem im Jahre 2008 erzielten Einkommen i.H.v. netto 1.685,53 EUR seien unstreitige Positionen - berufsbedingter Aufwand von 84,28 EUR, Altersvorsorge i.H.v. 72,20 EUR, erhöhte Wohnkosten von 130 EUR sowie Versicherungen i.H.v. 38,47 EUR - in Abzug zu bringen. Weitere Wohnkosten seien nicht zu berücksichtigen, weil die Beklagte deren Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit nicht dargelegt habe. Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung der Beklagten seien deshalb nicht in Ansatz zu bringen, weil nicht dargelegt sei, weshalb diese nicht von der Krankenkasse getragen würden. Hingegen sei der Fahrtkosten verursachende Besuchsaufwand für Besuche der Mutter zu berücksichtigen, weil es unangemessen sei, notfalls die Einstellung dieser Besuche zu verlangen oder die Beklagte auf die Inanspruchnahme des Selbstbehalts zu verweisen. Die im November 2007 gezahlte Steuererstattung sei für einen Zeitraum ab Jahr 2008 nicht, indes für 2009 seien insoweit monatlich 35,77 EUR zu berücksichtigen. Eine Kostenersparnis von 14 % aufgrund des Zusammenlebens mit einem Lebensgefährten sei nicht zu veranschlagen, da im Hinblick auf die erhöhten Wohnkosten eine derartige Ersparnis nicht unterstellt werden könne. Stromkosten sowie weiterer Versicherungsaufwand seien aus dem Selbstbehalt zu bestreiten.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Hierzu trägt sie vor, die Fahrtkosten für Besuche der Beklagten bei der Mutter seien nicht zu berücksichtigen, weil sonst der Unterhaltsberechtigte über eine Verringerung des Unterhalts diese Kosten tragen würde; es handele sich schließlich auch um eine sittliche Verpflichtung den Eltern gegenüber, die letztlich nicht zu deren Nachteil führen dürfe. Zudem seien die geltend gemachten Kosten auch der Höhe nach übersetzt. Auch für 2008 seien eine Steuererstattung zu berücksichtigen sowie die durch das Zusammenleben mit einem Lebensgefährten resultierende Ersparnis.
Die Klägerin beantragt, abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie Unterhalt für deren Mutter Frau für die Zeit von September 2008 bis Dezember 2009 von Höhe von 1.932 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 760 EUR seit dem 9.7.2009 und aus weiteren 1.172 EUR seit dem 7.4.2010 zu zahlen.
Dem ist die Beklagte entgegen getreten. Sie beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und führt aus, bei einem pauschalen Ansatz von 0,30 EUR je gefahrenem Kilometer ergäbe sich bei 58 Kilometern ein Betrag von 34,80 EUR pro einfacher Fahrt. Angesichts der Einkünfte ihres Lebensgefährten bestünde kein Raum für den Ansatz einer Ersparnis. Eine Kostenübernahme für ihre kieferorthopädische Behandlung sei durch die Krankenkasse abgelehnt worden.
Der Senat hat mit Beschluss vom 6.12.2010 auf die Sach- und Rechtslage hingewiesen und diese mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
II. Der zulässigen Berufung bl...