Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur gesellschafterlichen Treuepflicht bei "Sanieren oder Ausscheiden" in der GbR
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 09.07.2013; Aktenzeichen 9 O 423/12) |
BGH (Aktenzeichen II ZR 227/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9.7.2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Az.: 9 O 423/12 - geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 53.136,66 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.8.2012 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Mit vorliegender Klage macht die Klägerin - ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR) - gegen den Beklagten einen Auseinandersetzungsfehlbetrag i.H.v. 53.136,66 EUR zzgl. Zinsen geltend. Sie stützt sich hierbei auf einen Beschluss ihrer Gesellschafterversammlung vom 29.6.2011, welcher die Sanierungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Gesellschaft feststellte und für die Gesellschafter die Alternativen "Sanieren" (unter Leistung des anteiligen Sanierungsbetrages) oder "Ausscheiden" (Unter Bezahlung des anteiligen Auseinandersetzungsfehlbetrages) vorsah.
Die Klägerin wurde 1995 mit einem Eigenkapital i.H.v. 11.644.672,61 EUR gegründet; ihr traten 188 Gesellschafter bei. Zweck der Gesellschaft war die Errichtung und Bewirtschaftung eines öffentlich geförderten Wohnungsbauvorhabens in Berlin-B.,... Weg. Der Beklagte trat der Klägerin mit Erklärung vom 29.11./21.12.1995 bei und zeichnete eine Beteiligung i.H.v. 51.129,19 EUR.
Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin beinhaltet u.a. folgende Regelungen:
§ 3
Beitragspflicht und sonstige Pflichten der Gesellschafter
(1) Jeder Gesellschafter ist verpflichtet,
[...]
- die persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu übernehmen und Nachschüsse bei fehlender Liquidität zu leisten, jedoch nur stets quotal entsprechend seiner Beteiligung an der Gesellschaft,
[...]
(3) Erfüllt ein Gesellschafter seine Pflichten nicht, so kann er aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden (§ 14 AVB II).
[...]
§ 4
Beteiligung an der Gesellschaft
[...]
(2) Es ist vorgesehen, so viele Gesellschafter in die Gesellschaft aufzunehmen, dass eine Gesamtbeitragspflicht von DM 23.525.000 besteht. Die Gesamtbeitragspflicht entspricht dem für die Finanzierung des Investitionsvorhabens geplanten Eigenkapital (Nominalkapital der Gesellschaft). Zu einer notwendigen Nachfinanzierung kann das Nominalkapital um bis zu 10 % erhöht werden durch Beitragserhöhung der Gesellschafter oder durch Aufnahme weiterer Gesellschafter.
[...]
(5) Die Beteiligungsquote kann sich verringern, sofern der Gesellschafter bei einer Beitragserhöhung nach Abs. 2 nicht mitwirkt.
§ 8
Gesellschafterbeschlüsse
[...]
(8) Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Der Gesellschaftsvertrag kann nur mit mindestens 75 % der abgegebenen Stimmen geändert werden.
§ 14
Ausschluss eines Gesellschafters
(1) Die Gesellschafter können durch Beschluss einen Gesellschafter aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft ausschließen.
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
[...]
c) ein Gesellschafter seiner Nachschusspflicht nach § 3 Abs. 1 AVB II nicht nachkommt;
[...]
(3) Ein Gesellschafter scheidet aus in den Fällen des
- a) und b) rückwirkend mit dem Tage des Beitritts
- c) an dem Tag, an dem ein Dritter an der Stelle des ausgeschlossenen in die Gesellschaft aufgenommen wurde,
[...]
(4) Wird ein Gesellschafter ausgeschlossen, hat er die Einlage so lange stehen zu lassen, bis an seiner Stelle ein neuer Gesellschafter aufgenommen wurde und die Einlage geleistet hat. Darüber hinaus kann Schadensersatz geltend gemacht werden.
[...]
Zur Finanzierung der Fondsimmobilie schloss die Klägerin mit der damaligen W. H. AG im Jahre 1996 insgesamt drei Darlehensverträge mit einem Volumen von insgesamt rund 10,6 Mio. EUR ab. Darüber hinaus wurden ihr mit Bewilligungsbescheid der I. B. vom 28.9.1995 ein Aufwendungszuschuss i.H.v. rund 12 Mio. EUR sowie zwei Darlehen i.H.v. insgesamt rund 6,2 Mio. EUR gewährt. Bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit der Fondsimmobilie gingen alle Beteiligten davon aus, dass die Klägerin eine staatliche Grundförderung über 15 Jahre und nachfolgend eine Anschlussförderung über weitere 15 Jahre erhält. Entgegen dieser Annahme entschied das Land Berlin im Jahr 2003, das Institut der Anschlussförderung ersatzlos zu streichen. Ohne diese Anschlussförderung reichten die Einnahmen der Klägerin nicht aus, um die anfallenden Darlehensraten zu bedienen. Ihre Bankverbindlichkeiten beliefen sich zum 31.5.2011 auf 21.274....