Leitsatz (amtlich)

1. Der Mieter eines Kraftfahrzeugs verursacht grob fahrlässig einen Unfall, wenn er bei Tempo 100 auf einer Landstraße mit Straßenbäumen durch die Bedienung seines Autoradios so lange abgelenkt ist, dass er in einer folgenden Straßenkurve die Kontrolle über das Fahrzeug verliert.

2. Für Schadenersatzansprüche des Vermieters gilt die kurze Verjährung auch dann, wenn das Fahrzeug einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat.

3. Zur Hemmung der Verjährung genügt ein Meinungsaustausch, der allerdings mit deutlicher Ablehnung der Schadensersatzansprüche durch den Mieter endet.

 

Normenkette

BGB §§ 203, 276, 535, 548

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Urteil vom 21.12.2004; Aktenzeichen 3 O 148/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.12.2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Klägerin ist Vollkaskoversicherer eines Kraftfahrzeugs Alfa Romeo 147 1,6 TS, das im Eigentum ihrer Versicherungsnehmerin steht und das diese gewerblich vermietet (nachfolgend Vermieterin genannt). Wegen eines am 12.3.2003 gegen 3.30 Uhr eingetretenen Unfallschadens am Kraftfahrzeug hat die Klägerin an die Vermieterin 11.866,63 EUR Entschädigung gezahlt. In Höhe dieses Betrages nebst Zinsen hat sie mit der am 16.3.2004 eingereichten und alsbald zugestellten Klage den beklagten Kraftfahrzeugmieter aus übergegangenem Recht in Regress genommen. Dieser hatte am Schadenstag in einer Linkskurve die Kontrolle über das Kraftfahrzeug verloren. Es geriet nach rechts von der Fahrbahn ab, prallte gegen ein Bushaltestellenschild, dann gegen einen Baum. Anschließend entfernte sich der Beklagte, der niederländischer Staatsangehöriger ist, von der Unfallstelle. Erst vormittags meldete er sich bei der zuständigen Polizeidienststelle. Das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Das am 15.11.2002 erstmals zugelassene, am Unfalltag gepflegte und mangelfreie Kraftfahrzeug erlitt wirtschaftlichen Totalschaden (Reparaturkosten: 35.264 EUR; Wiederbeschaffungswert: 15.500 EUR; Restwert: 1.700 EUR jeweils inkl. MWSt). Die Vermieterin hatte es in beschädigtem Zustand spätestens am 3.4.2003 zurück erhalten.

Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Im Übrigen hat er geltend gemacht, er habe den Verkehrsunfall weder grob fahrlässig verursacht noch habe er Obliegenheiten ggü. der Vermieterin, geschweige denn (mangels vertraglicher Verbundenheit) ggü. der Klägerin verletzt, so dass ein Regress gegen ihn ausgeschlossen sei. Das LG hat sich, ohne die Verjährungsfrage zu prüfen, der weiteren rechtlichen Beurteilung des Beklagten angeschlossen und die Klage durch Urt. v. 21.12.2004 abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr Begehren unverändert weiter verfolgt. Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des aufgefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen an sie 11.866,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2004 zu zahlen.

Der Beklagte bittet um die Zurückweisung der Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

B. Das zulässige Rechtsmittel der klagenden Versicherungsgesellschaft hat i.E. keinen Erfolg. Die Klägerin kann auf sie übergegangene vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr durchsetzen.

I. Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des LG, der beklagte Kraftfahrzeugmieter hafte der Vermieterin schon dem Grunde nach weder vertraglich (§§ 249 ff., 280, 535 BGB) noch deliktisch (§§ 249 ff., 823 Abs. 1 BGB und §§ 249 ff., 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1, 3 StVO) auf Ersatz des entstandenen Schadens, weil er den Verkehrsunfall nicht grob fahrlässig herbeigeführt habe, so dass ein Rechtsübergang auf die Klägerin (§ 67 VVG) nicht habe stattfinden können.

1. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zum Vorwurf gewöhnlicher Fahrlässigkeit fällt dem grob fahrlässig Handelnden auch in subjektiver Hinsicht ein gesteigertes Fehlverhalten zur Last, das das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt (BGH EBE 2005, 243; v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01, MDR 2003, 505 = BGHReport 2003, 428 m. Anm. Reinert = VersR 2003, 364 = NJW 2003, 1118; v. 18.12.1996 - IV ZR 321/95, MDR 1997, 348 = VersR 1997, 351; OLG Düsseldorf v. 22.2.2000 - 24 U 26/99, OLGReport Düsseldorf 2001, 94). Der Versicherer ist zwar darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die den Schluss auf grobe Fahrlässigkeit in objektiver und subjektiver Hinsicht rechtfertigen können (BGH v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01, MDR 2003, 505 = BGHReport 2003, 428 m. Anm. Reinert = NJW 2003, 1118). Der fahrlässig Handelnde muss a...

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