Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur Aktualisieren einer Verdachtsberichterstattung
Leitsatz (amtlich)
Eine das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ganz erheblich beeinträchtigende Berichterstattung im Internet über ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren ist nach Einstellung dieses Verfahrens nur zulässig, wenn die weitere Entwicklung in einem Zusatz zur Ursprungsmeldung mitgeteilt wird und den interessierten Internet-Nutzern nicht lediglich über einen Link vermittelt wird.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 23.06.2010; Aktenzeichen 12 O 159/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landge-richts Düsseldorf vom 23.06.2010 wie folgt abgeändert:
Dem Antragsgegner wird bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwider-handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ord-nungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, untersagt, in Bezug auf die Antragstellerin die nachfolgend wiedergegebenen Behauptungen weiterhin zu verbreiten:
1. Staatsanwalt ermittelt
und/oder
Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft München I gegen die P..
und/oder
2. Den Hintergrund der Ermittlungen bildet eine Anzeige des Schauspielers C..
und/oder
3. Hausdurchsuchung bei der P.
und/oder
Gestern wurde die Staatsanwaltschaft schließlich mit einem Durchsuchungsbeschluss in den Büroräumen der P. in der G. Allee vorstellig.
und/oder
4. Die mitgenommenen Unterlagen sollen klären, ob tatsächlich Mittel "zweckent-fremdet" wurden, wie C. in seiner Anzeige formulierte.
wenn dies, wie aus dem nachstehend wiedergegebenen Text ersichtlich, geschieht, ohne dass bereits im Zusammenhang mit diesem Text (und nicht erst vermittelt über den Link "mehr") ergänzend darauf hingewiesen wird, dass das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München I wegen des Verdachts des Betruges im März 2010 eingestellt worden ist, weil die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage ergeben haben (§ 170 Abs. 2 StPO).
Im Übrigen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist Betreiber der Internet-Seite www.c.de und berichtete dort in der in der Anlage Ast 1 wiedergegebenen Form unter dem 5.11.2009 über ein vor Monaten eingeleitetes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München gegen die Antragstellerin, im Rahmen dessen es am 4.11.2009 zu einer Durchsuchung der Büroräume der Antragstellerin gekommen war. Nachdem in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zwischen den Parteien vor dem LG Düsseldorf (12 O 486/09) dem Antragsgegner die Verbreitung bestimmter Behauptungen zur Verwendung der Spendengelder untersagt worden ist, änderte der Antragsgegner die über das Internet verbreitete Mitteilung in der aus der Anlage Ast 3 ersichtlichen Form ab.
Die Staatsanwaltschaft München stellte das Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin durch Verfügung vom 18.2.2010 ein, woraufhin die Antragstellerin den Antragsgegner durch Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 23.3.2010 auffordern ließ, den Bericht vom 5.11.2009 entweder vollständig von der Homepage zu nehmen oder so zu ändern, dass die zu Unrecht erhobenen Vorwürfe eliminiert würden. Daraufhin wurde dem Beitrag ein "Nachtrag vom 31.3.2010" (vgl. Anlage Ast 7) hinzugefügt, in dem die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO mitgeteilt wurde.
Im weiteren Zeitverlauf erschien der Beitrag über die Hausdurchsuchung bei der Antragstellerin nicht mehr auf der Startseite von www.c.de, sondern es erscheint nunmehr auf einer der Folgeseiten, historisch in die anderen bisher veröffentlichten Beiträge eingeordnet, der erste mit " Staatsanwalt ermittelt Hausdurchsuchung bei der P." überschriebene Absatz (vgl. Anlage Ast 12), der zum Schluss eine mit "mehr" bezeichnete Verbindung anbietet, bei deren Öffnen der Leser den vollständigen Beitrag mit dem Nachtrag gemäß Anlage Ast 7 präsentiert bekommt.
Die Antragstellerin sieht darin eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechtes, weil beim Internet-Nutzer der unzutreffende Eindruck erweckt werde, dass der dargelegte Sachverhalt aktuell und der in der Vergangenheit geäußerte Verdacht noch nicht beseitigt sei; daran ändere auch das leicht zu überlesende historische Datum vom 5.11.2009 nichts; ebenso wenig reiche die Anbringung eines späteren Nachtrages aus, wenn dies derart versteckt wie hier geschehe; dem Antragsgegner sei ohne weiteres zuzumuten, von den von ihm verbreiteten Vorwürfen abzurücken.
Der Antragsgegner meint, in zulässiger Weise auch angesichts der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens darüber weiterhin berichtet zu haben. Da der Bericht immer nur unter dem Ursprungsdatum vom 5.11.2009 aufgerufen werden könne, sei für jeden Leser erkennbar, dass es sich um eine Berichterstattung aus November 2009 handele. Bezogen auf die Berichtszeit habe er -der Antragsg...