Leitsatz (amtlich)
1. Der Anzahl der im Kraftfahrzeugbrief eingetragenen Vorbesitzer eines Pkw wird im Gebrauchtwagenhandel eine erhebliche Bedeutung beigemessen; beim Verkauf eines etwa sieben Jahre alten Pkw mit Dieselmotor wirkt es sich regelmäßig in einem deutlichen Preisunterschied aus, wenn es drei oder aber vier und mehr Vorbesitzer gehabt hat.
2. Ist für einen Pkw nach Einziehung des ersten Fahrzeugbriefs, der drei Haltereintragungen aufwies, ein Ersatz-Fahrzeugbrief ausgestellt worden und sind in diesen zwei weitere Halter eingetragen, handelt der Verkäufer, der dem Käufer erklärt, das verkaufte Fahrzeug habe, soweit ihm bekannt, zwei Vorbesitzer gehabt, arglistig, wenn in dem Ersatz-Fahrzeugbrief die unter „Anzahl Vorhalter” angegebene Zahl durch einen schwarzen Fingerabdruck – von wem auch immer – unleserlich gemacht worden ist.
Normenkette
BGB § 346 ff. a.F., § 459 a.F., § 465 a.F., § 467 a.F.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Aktenzeichen 5 O 103/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 11.12.2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.584,79 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.4.2001 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw D., Fahrzeugidentitätsnr. … .
Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Rücknahme des vorstehend beschriebenen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 18 % und der Beklagte 82 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Beklagte verkaufte der Klägerin einen gebrauchten Pkw D., Erstzulassung 11.3.1994, unter Ausschluss jeder Gewährleistung für 11.000 DM. In dem unter Verwendung eines vom A. herausgegebenen Formulars schriftlich fixierten Vertrag heißt es im vorgedruckten Text unter
Angaben des Verkäufers:
1. Der Verkäufer sichert zu:
…]
1.4. dass das Kfz in der Zeit, in der es sein Eigentum war,
- keinen Unfallschaden
- keine sonstigen Beschädigungen erlitt
…
2. Der Verkäufer erklärt:
2.1 dass das Fahrzeug auch in der übrigen Zeit
- soweit ihm bekannt –
- keinen Unfallschaden
- keine sonstigen Beschädigungen
- lediglich folgende Schäden hatte:
…
2.4 dass das Kfz, soweit ihm bekannt, 2 Vorbesitzer (Fahrzeughalter) hatte.
Die Kästchen sind jeweils durch Ankreuzen bzw. durch Einfügen der Zahl „2” handschriftlich ausgefüllt worden. In dem zu dem Fahrzeug gehörenden Fahrzeugbrief ist vermerkt, dass der bisherige Fahrzeugbrief eingezogen worden sei. Der darüber angebrachte Vermerk „Anzahl Vorhalter” ist im Bereich der darauf folgenden Zahl durch einen dunklen Fingerabdruck unleserlich.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe zugesichert, dass das Fahrzeug lediglich zwei Vorbesitzer habe. Sie begehrt im Wege der Wandlung des Kaufvertrages die Rückzahlung des Kaufpreises abzgl. der Gebrauchsvorteile Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin neben dem erstinstanzlichen Zahlungsantrag unter Erweiterung der Klage um den Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs weiter.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg.
Das Wandlungsbegehren der Klägerin ist begründet (§§ 459, 465, 467, 346 ff. BGB a.F.). Der Beklagte hat die Klägerin durch die Erklärung, das verkaufte Fahrzeug habe, soweit ihm bekannt, zwei Vorbesitzer (Fahrzeughalter) gehabt, arglistig getäuscht und durch diese Täuschung zum Abschluss des Kaufvertrages veranlasst.
Unstreitig und inzwischen durch die von der Klägerin vorgelegte Ablichtung des „alten”, vom Straßenverkehrsamt des Rheinisch-Bergischen-Kreises Fahrzeugbriefs Bl. 61 GA belegt hatte das verkaufte Fahrzeug allerdings nicht zwei, sondern fünf Vorbesitzer. Damit fehlte dem verkauften Fahrzeug allerdings – wovon das LG zutreffend ausgegangen ist – nicht schon eine zugesicherte Eigenschaft i.S.d. § 459 Abs. 2 BGB in der seinerzeit geltenden a.F. In dem schriftlichen Kaufvertrag wird bei den „Angaben des Verkäufers” ausdrücklich zwischen Zusicherungen („1. Der Verkäufer sichert zu:”) und Wissenserklärungen („Der Verkäufer erklärt:”) unterschieden. Schon dadurch ist auch für den Käufer als Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Verkäufer für das Vorhandensein der unter Nr. 2 beschriebenen Merkmale und Eigenschaften – anders als für die unter Nr. 1 aufgeführten – keine vertragliche Gewähr übernehmen will.
Der Beklagte hat der Klägerin jedoch durch die Erklärung, das verkaufte Fahrzeug habe, soweit ihm bekannt, zwei Vorbesitzer gehabt, arglistig Umstände vorgespiegelt, denen für die Wertbildung erhebliche Bedeutung zukam.
Die Erklärung stellt sich nicht lediglich als unverbindliche Wissenserklärung dar. Sie war vielmehr aus der Sicht der Kläge...