Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beschaffenheitsvereinbarung kommt zwar nur in einem eindeutigen Fall in Betracht. Die Vereinbarung einer Beschaffenheit kann sich aber auch aus einer vorvertraglichen Beschreibung - wie z.B. einem Internet-Angebot - ergeben. Einseitig gebliebene Vorstellungen des Käufers genügen hingegen nicht, auch wenn sie dem Verkäufer bekannt sind, sondern es ist eine als Zustimmung zu wertende Reaktion des Verkäufers erforderlich.
2. Die Ausführungen des BGH im Urteil vom 29.04.2015 (VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244) zur Unwirksamkeit der AGB in Gestalt der Empfehlung des ZDK e.V., Stand 03/2008 gelten unabhängig davon, ob der Käufer sog. kleinen oder großen Schadensersatz geltend macht.
3. Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers besteht grundsätzlich dahingehend, dass jedenfalls konkrete Fragen des anderen Teils vollständig und richtig beantwortet werden müssen. Besteht für die konkret abgefragte(n) Tatsache(n) ein erheblicher Verdacht, ist auch dieser mitzuteilen.
4. Eine Aufklärungspflicht kann sich auch aus der besonderen Stellung des befragten Verkäufers im Wirtschaftsverkehr ergeben, so insbesondere beim einem Gebrauchtwagenhändler, erst recht wenn dieser wie ein Fachberater gegenüber einem unerfahrenen Kaufinteressenten auftritt.
5. Bei einer "ins Blaue hinein" abgegeben objektiv unrichtigen Erklärung schließt guter Glaube Arglist nicht aus, wenn der Erklärende das Fehlen einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage nicht offenlegt.
6. Ein Verzicht bzw. ein Erlass i.S.v. § 397 BGB setzt einen unmissverständlichen rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf eine Forderung bzw. ein Recht zu verzichten; daran sind strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist ein unzweideutiges (Erklärungs-)Verhalten, das vom Erklärungsgegner als rechtsverbindliche Aufgabe einer Forderung bzw. eines Rechts verstanden werden darf. Hierfür genügt ein bloßes Zeitmoment (hier: Abwarten von 16 Monaten) regelmäßig nicht.
7. Von der in § 213 BGB angeordneten Erstreckung der Wirkung verjährungshemmender oder den Neubeginn der Verjährung auslösender Maßnahmen werden sämtliche in § 437 BGB aufgeführten kaufrechtlichen Nacherfüllungs- und Gewährleistungsrechte erfasst, die auf demselben Mangel beruhen.
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 03.03.2016; Aktenzeichen 4 O 114/15) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Wuppertal vom 03.03.2016 abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.000 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten pro Jahr über dem Basiszinssatz seit dem 10.03.2015 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs Saab 9-32. OT Cabrio, Fahrzeug-Ident-Nr .... zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Saab 9-32. OT Cabrio, Fahrzeug-Ident-Nr ... in Annahmeverzug befindet.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger den verlangt vom Beklagten - wegen mehrerer Mängel (Modellunterschiede zwischen US-Modell und EU-Modell, Unfallvorschaden) - die Rückabwicklung eines am 23.04.2013 zum Preis von 20.000 EUR geschlossenen Kaufvertrages über den Erwerb eines gebrauchten Saab Typ 9-3 Cabrio (US-Modell) durch Rückzahlung von 19.000,00 EUR nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und begehrt außerdem die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten mit der Rücknahme. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klage sei zulässig, insbesondere sei - mangels wirksamer Prorogation - das LG Wuppertal zuständig.
Die Klage sei nicht begründet, insbesondere nicht aus §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 3, 323, 281 BGB bzw. aus §§ 123 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB.
Das mit Schriftsatz vom 14.12.2015 (197 GA) von Rücktritt auf sog. großen Schadensersatz umgestellte Klagebegehren sei im Hinblick auf die gleichbleibend auf Rückabwicklung gerichtete Klageanträgen unschlüssig.
Abgesehen davon ständen dem Kläger keine Gewährleistungsrechte auf Rückabwicklung zu, denn die - ungeachtet der Wirksamkeit der AGB - am 23.04.2013 individualvertraglich vereinbarte Beschränkung der Gewährleistung auf 12 Monate führe zur Annahme der Verjährung der erst am 15.04.2015 erhobenen Ansprüche des Klägers.
Die Beschränkung der Sachmängelhaftung sei wirksam, da die Beklagte keine Mängel arglistig i.S.v. § 444 BGB verschwiegen habe. Es könne dahinstehen, ob die Angaben des Geschäftsführers der Beklagten zur Vergleichbarkeit von US-Modell und EU-Modell unzutreffend und "ins Blaue hinein" erfolgt seien, denn dem Kläger seien die Unterschiede (in Bezug auf den Einbau eines Navigationsgeräts) bereit durch das Schreiben der Fa.M. vom 28.10.2013 bekannt gewesen und er habe über den Zeitraum von 16 Monaten bis zum Rücktritt vom 25.02.2015 nich...