Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Geschädigte den ersatzpflichtigen Haftpflichtversicherer darauf hingewiesen, dass er bei der Ersatzbeschaffung seines Kfz zur Vermeidung von Nutzungsausfall- und Mietwagenkosten auf die Ersatzleistung angewiesen ist, beinhaltet dies eine allgemeine Warnung vor einer Schadensvergrößerung einschließlich der Entstehung von Finanzierungskosten (hier Darlehen und Restschuldversicherung).
2. Die sekundäre Darlegungslast des Geschädigten im Rahmen des § 254 BGB geht nicht so weit, dass er von sich aus näher zu seiner finanziellen Situation oder zur Erforderlichkeit der Restschuldversicherung vortragen muss.
3. Bei Geringverdienern, die keine banküblichen Sicherheiten für die Rückzahlung eines Kredits bereitstellen könnten, erscheint nachvollziehbar, dass Konsumentenkredite regelmäßig nur unter der Verpflichtung zum Abschluss einer den Kredit verteuernden Restschuldversicherung bewilligt werden.
Normenkette
BGB § 254; StVG §§ 7, 18
Verfahrensgang
LG Kleve (Aktenzeichen 3 O 31/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 15. November 2019 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels sowie der Anschlussberufung der Beklagten teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.811,62 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Landeszentralbank aus 2.100,00 EUR seit dem 16.11.2017 sowie aus weiteren 281,00 EUR seit dem 14.12.2017 zu zahlen.
Die Beklagte wird zudem verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 71,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Landeszentralbank seit dem 14.12.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 45 % und die Beklagte zu 55 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet, während die Anschlussberufung zurückzuweisen ist.
1. Dem Kläger steht auf der Grundlage seiner Berufung ein weiterer Anspruch auf Ersatz von Finanzierungskosten i.H.v. 1.430,62 EUR zu, §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Dieser Anspruch gehört als weiterer unfallbedingter Folgeschaden von Anfang an zu den Forderungen, die dem Kläger ohne Verzugseintritt zu ersetzen sind (vgl. Lemcke in van Bühren/Lemcke/Jahnke, Anwaltshandbuch Verkehrsrecht, 2. Aufl., Teil 3 Rn. 289). Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Kläger mit Schreiben vom 09.11.2017 hinreichend genau darauf hingewiesen, dass er aufgrund eingeschränkter finanzieller Mittel für die Ersatzbeschaffung auf die Zahlungen der Beklagten angewiesen sei. Da er nachvollziehbar vorgetragen hat, dass er zu einer Ersatzbeschaffung finanziell nicht in der Lage war und im Ergebnis eine Verletzung der Schadensminderungspflicht des Klägers nicht feststellbar ist, kann er die Kosten für die Gewährung eines Verbraucherdarlehens einschließlich einer Restschuldkreditversicherung mit Erfolg geltend machen.
a) Die Klageumstellung von einem Feststellungsantrag auf einen bezifferten Klageantrag ist als qualitative Änderung des Antrags bei gleich bleibendem Klagegrund gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig (vgl. Zöller/Greger, ZPO; 33. Aufl. 2020, § 264 Rn. 3b).
b) Der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 09.11.2017 hinreichend vor einer Schadensvergrößerung gewarnt, § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diese ausdrücklich durch das Gesetz vorgesehene Obliegenheit beruht darauf, dass der Schädiger in aller Regel nicht schon von vornherein damit rechnen muss, dass der Geschädigte zu einer zügigen Schadensregulierung nicht imstande ist und zu deren Durchführung einen Kredit aufnehmen müsste (BGH, Urteil vom 06. November 1973 - VI ZR 27/73 -, BGHZ 61, 346-351, Rn. 9; Senat, Urteil vom 09. April 2019 - 1 U 139/18 -, Rn. 54, juris).
In dem fraglichen Schreiben vom 09.11.2017 weist der Kläger darauf hin, dass er für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs auf die Schadenssumme angewiesen sei und er schon eine mündliche Vereinbarung über den Kauf eines solchen getroffen habe. Ohne die Zahlung könnten weitere Kosten - z.B. Mietwagenkosten und Nutzungsausfall - entstehen. Auch wenn der Kläger in diesem Zusammenhang nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass er ein Darlehen aufzunehmen beabsichtigt, wird aus diesem Schreiben doch hinreichend deutlich, dass er einen finanziellen Engpass hat und die Ersatzbeschaffung nicht aus eigenen Mitteln stemmen kann. Insbesondere ist für die Beklagte deutlich erkennbar, dass eine Schadenserweiterung droht und daher ein zügiges Handeln geboten ist (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 14. Februar 2014 - 13 S 189/13 -, Rn. 21, juris). Die Aufnahme eines Darlehens zur Umsetzung der unmittelbar anstehenden Ersatzbeschaffung ist danach eine ohne weiteres im Raum stehende Folge, die der Beklagten hinreichend deutlich vor Augen stehen musste.
c) Eine Verl...