Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Auswirkungen einer Komplettheitsklausel in einem BGB-Pauschalpreisvertrag
a) Handelt es sich um einen Detail-Pauschalvertrag, bei dem das Leistungsverzeichnis vom Auftragnehmer stammt, kann mit einer vereinbarten Komplettheitsklausel dem Auftragnehmer das Risiko für in seinem Leistungsverzeichnis nicht berücksichtigte Mehrmengen auferlegt werden. Bei der Vertragsauslegung ist die Reichweite der Komplettheitsklausel danach zu bestimmen, was der Auftragnehmer nach seinem Empfängerhorizont als Komplettheitsanforderung erkennen konnte.
b) Hätte der Auftragnehmer bei sorgfältiger Prüfung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und Möglichkeiten der eigenen Untersuchung erkennen können, dass seine Mengenberechnungen im Leistungsverzeichnis mit Unwägbarkeiten verbunden waren, steht ihm zur Abdeckung seiner Mehrkosten auch kein Ausgleich nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu.
2. Eine Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, dass für Bauschuttbeseitigung 0,9 % von der Schlussrechnungssumme in Abzug gebracht werden, ist wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam (BGH v. 6.7.2000 – VII ZR 73/00, MDR 2000, 1312 = NJW 2000, 3348). Daran ändert nichts die weitere Vereinbarung, dass der Auftragnehmer anfallenden Bauschutt in Container des Auftraggebers entsorgen könne.
3. Bei einer Individualvereinbarung, dass der Auftragnehmer den Gewährleistungseinbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösen darf, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Zahlung des Sicherheitseinbehalts Zug um Zug gegen Gewährung der Bürgschaft zu.
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Urteil vom 03.09.2002; Aktenzeichen 32 O 155/00) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 3.9.2002 unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.879,21 Euro (= 15.410,40 DM) nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 2.8.2000 zu zahlen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere 25.090,85 Euro (= 49.073,43 DM) zu zahlen, Zug um Zug gegen Hergabe einer Bankbürgschaft entspr. des diesem Urteil als Urteilsbestandteil beigefügten Bürgschaftsmusters.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 18 %, die Beklagte 82 %. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei darf die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn für die Verstärkung von Stahlbetondecken im 2. + 3. OG des Geschäftshauses S.-Str. 20 in Düsseldorf gem. Auftragserteilung vom 14.7.1999 nebst Nachträgen. Der Auftragserteilung liegen die Vertragsbedingungen der Beklagten zugrunde. Die VOB/A+B sind abbedungen. Die Auftragserteilung, der vorangegangen war das Angebot der Klägerin vom 9.9.1999 nebst detailliertem Leistungsverzeichnis, enthält folgende Klausel:
„Dem Vertrag liegen folgende zusätzliche Bedingungen zugrunde: Vereinbart wird ein pauschaler Einheitspreis für die komplette Verstärkung der Decken auf 5,00KN/qm entspr. ihrem Angebot i.H.v. 455 DM/qm zzgl. Mwst. Darin sind alle notwendigen – auch wenn sie in ihrem Angebot nicht aufgeführt sein sollten – Leistungen enthalten. Somit ergibt sich eine vorläufige Auftragssumme von 1.400 qm × 455 DM/qm = 637.000 DM zzgl. Mwst. Die Abrechnung erfolgt nach tatsächlich sanierten Deckenflächen anhand eines Aufmaßes.”
In der zweiten Instanz streiten die Parteien noch über folgende vier Positionen:
(A) Zusatzvergütung für Mehrstärke der Feinbetonschicht (211.334,90 DM),
(B) Schadenersatzanspruch der Beklagten wegen Entfernung von Heizungsrohren durch Mitarbeiter der Klägerin (43.066,22 DM abzgl. anerkannter 8.000 DM),
(C) 0,9 % Abzug von der Schlussrechnungssumme für Kosten der bauseitigen Schuttabfuhr gem. Nr. 8.12 der Vertragsbedingungen der Beklagten,
(D) 5 % Abzug von der Schlussrechnungssumme als Sicherheitseinbehalt der Beklagten (gegen Bankbürgschaft auf erstes Anfordern gem. Muster der Beklagten).
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird wegen der tatsächlichen Feststellungen des LG auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und zu den in der zweiten Instanz noch str. Positionen ausgeführt:
Durch die Pauschalierung des Vertragspreises sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass die Höhe der zu zahlenden Vergütung unabhängig von der zur Erreichung des vereinbarten Erfolges notwendigen Leistungsmenge sei und nur die tatsächlich sanierte Deckenfläche für die Berechnung maßgeblich sei. Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung lägen nicht vor. Zum Sc...