Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 10.10.2008; Aktenzeichen 39 O 99/08)

BGH (Aktenzeichen IX ZR 188/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.04.2010; Aktenzeichen IX ZR 188/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 10.10.2008 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Kläger sind Vorzugsaktionäre der Beklagten. Sie begehren die Feststellung, dass ihnen nach Aufhebung des mit Beschluss des AG K. vom 1.12.2004 (... IN .../04) über das Vermögen der Beklagten eröffneten Insolvenzverfahrens durch Beschluss des AG K. vom 31.12.2007 gem. § 140 Abs. 2 Satz 1 AktG ein Stimmrecht sowie Nachzahlungsrechte für die Zeit ab dem Geschäftsjahr 2003 der Beklagten zustehen. Zum Sachverhalt im Übrigen wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Mit ihrer Berufung gegen das den Klagen stattgebende Urteil verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Rechtsfehlerhaft habe das LG von einer telelogischen Extension des § 227 Abs. 1 InsO abgesehen. Diese Vorschrift sei entgegen der vom LG vertretenen Auffassung wegen einer planwidrigen Regelungslücke im Wege richterlicher Rechtsfortbildung dahin auszulegen, dass die Beklagte als Insolvenzschuldnerin nicht nur von den Restverbindlichkeiten ggü. den Insolvenzgläubigern befreit werde, sondern auch von den Nachzahlungsrechten der Vorzugsaktionäre.

Richtig sei zwar, dass das in der InsO vorgesehene Insolvenzplanverfahren Ausdruck der Gläubigerautonomie sei und ihm jede Art der Befreiungsautomatik wie etwa im Restschuldbefreiungsverfahren der §§ 268 ff. InsO fremd sei. Auch sei zuzugeben, dass allein der Insolvenzplan den Gesellschaftern nicht vorschreiben könne, an einer Sanierung der Gesellschaft z.B. durch einen Kapitalschnitt mitzuwirken. Der Verlust von im Insolvenzverfahren ohnehin wertlosen Nachzahlungsrechten bleibe indes in seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung weit hinter dem Zwangsverlust der Mitgliedschaft im Falle einer Liquidation der Gesellschaft infolge der Insolvenz zurück. Entscheidend sei aber, dass eine auf den Wortlaut des § 227 Abs. 1 InsO beschränkte Anwendung dieser Vorschrift ein erhebliches Sanierungshindernis darstelle, da der Erfolg der Sanierungsmaßnahmen entscheidend davon abhänge, dass die Insolvenzschuldnerin nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ohne Altverbindlichkeiten neu beginnen könne. Anderenfalls würden künftige Bilanzgewinne durch Altverbindlichkeiten aufgezehrt. Dies schrecke Investoren ab. Damit würde das Ziel eines Insolvenzplanverfahrens vereitelt, das ebenso wie das Regelinsolvenzverfahren auf eine optimale Befriedigung der Insolvenzgläubiger gerichtet sei.

Das Argument des LG, die Gläubigerversammlung habe auf einen Verzicht der Vorzugsaktionäre auf Nachzahlungsrechte hinwirken können, indem sie die Verabschiedung ihres Insolvenzplanes von einem solchen Verzicht hätten abhängig machen können, überzeuge nicht. Denn dies wäre nur durch eine Satzungsänderung möglich gewesen, die eines Beschlusses der Hauptversammlung gem. § 179 AktG sowie eines Sonderbeschlusses der Vorzugsaktionäre gem. § 141 Abs. 3 AktG bedurft hätte. Einen solchen Weg sehe das Gesetz zwar vor. Er sei aber wegen bestehender Anfechtungsmöglichkeiten der Gesellschafter mit Unwägbarkeiten belastet, die die Durchführung eines unter der Bedingung einer Satzungsänderung stehenden Insolvenzplanes auf unabsehbare Zeit behindern könnten. Das vom Gesetz zur Verfügung gestellte Instrumentarium reiche für eine erfolgreiche Sanierung einer Insolvenzschuldnerin mangels Praktikabilität nicht aus, da das Gesetz insoweit z.B. auch kein Freigabeverfahren i.S.d. § 246a AktG vorsehe. Berechtigte wirtschaftliche Aspekte einer Sanierung fänden im Gesetz keine hinreichende Berücksichtigung.

Das LG sei verpflichtet gewesen, diese planwidrige Regelungslücke festzustellen und im Wege einer teleologischen Extension des § 227 Abs. 1 InsO zu schließen. Eine Einbeziehung der Nachzahlungsrechte in die Restschuldbefreiung stelle insbesondere keinen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentumsgarantie dar. Denn zum einen verliere der Vorzugsaktionär nicht seine vollständige Eigentümerstellung, sondern nur unselbständige Zusatzrechte. Zum anderen seien die Nachzahlungsrechte im Fall der Insolvenz der Gesellschaft wertlos und bedürften auch nach den Zielen der InsO keines wertmäßigen Ausgleichs.

Eine Befreiung der Beklagten von Nachzahlungspflichten bewirke konsequenterweise ein Erlöschen durch Zahlungsrückstände ausgelöster Stimmrechte.

Di...

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