Leitsatz (amtlich)
1. Die Bewertung geht aus von den am Stichtag absehbaren Planungen, die seinerzeit "in der Wurzel" angelegt waren. Spätere, damals nicht vorhersehbare Entwicklungen, etwa eine deutlich schlechtere Unternehmensentwicklung, sind nicht zu berücksichtigen.
2. Sind die Unternehmensplanungen lückenhaft oder nicht belastbar, hat der gerichtlich bestellte Gutachter eine eigene Planung vorzunehmen.
3. Die Ertragswertprognose erstreckt sich nicht nur auf Zeit bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit, sondern ermittelt sich nach der geplanten und voraussichtlichen Unternehmensentwicklung.
Normenkette
AktG § 304 Abs. 1-2, § 305 Abs. 1; SpruchG § 11 Abs. 3, § 15 Abs. 1-2; SpruchG a.F. § 15 Abs. 4; FamFG § 66
Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 28.02.2012; Aktenzeichen 31 O 89/95 (AktE)) |
Tenor
Auf die Anschlussbeschwerde des Vertreters der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) vom 08.05.2012 und die Beschwerde der Antragstellerin zu 9 vom 25.04.2012 wird - unter Zurückweisung im Übrigen - der Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Düsseldorf vom 28.02.2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die angemessene Abfindung für eine Aktie der L. Maschinen- und Anlagenbau AG im Nennbetrag von 50 DM wird auf 132,24 EUR (entspricht 258,63 DM) festgesetzt.
Der angemessene Ausgleich für außenstehende Aktionäre der L. Maschinen- und Anlagenbau AG wird für jedes Geschäftsjahr und für jede Aktie im Nennbetrag von 50 DM auf 10,37 EUR (entspricht 20,29 DM) abzüglich der Körperschaftssteuerbelastung in Höhe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifs festgesetzt.
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen vom 20.04.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sowie die Vergütung und Auslagen der gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre beider Instanzen tragen die Antragsgegnerinnen.
Der Geschäftswert wird für die Beschwerdeinstanz auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Am 28.09.1993 hatte die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 2, die L. Maschinen- und Anlagenbau AG (L. AG), mit der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1., der LMM GmbH (LMM GmbH), einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Die Hauptversammlung der L. AG stimmte dem Vertrag am 16.12.1993 zu. Mit dem Vertrag unterstellte die L. AG die Leitung ihrer Gesellschaft der LMM GmbH und verpflichtete sich, ihren gesamten Gewinn an diese abzuführen. Der Vertrag lief zunächst bis zum 30.09.1997 und war danach jährlich kündbar. Der Unternehmensvertrag wurde am 28.01.1994 in das Handelsregister der L. AG eingetragen und am 26.02.1994 bekannt gemacht. Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag endete am 04.05.2000.
Die L. AG verfügte über ein Grundkapital von 55,2 Mio. DM, aufgeteilt in 1,104 Millionen auf den Inhaber lautende Stammaktien im Nennbetrag von 50 DM. Hauptaktionärin war die LMM GmbH, die zum Bewertungsstichtag rund 96 % der Aktien hielt. Auf die außenstehenden Aktionäre entfielen 37.518 Aktien. Das Geschäftsjahr umfasste den Zeitraum vom 01.10. eines Jahres bis zum 30.09. des Folgejahres.
Die L. AG plante, baute und installierte komplette Reinigungs-, Füll-, Inspektions-, Kontroll-, Pasteurisierungsanlagen sowie Etikettier- und Verpackungsmaschinen für die Getränkeindustrie sowie für die pharmazeutische, kosmetische und chemische Industrie. Der Verkauf erfolgte über eine eigene Vertriebsorganisation. Darüber hinaus war die L. AG an verschiedenen Tochtergesellschaften beteiligt. Die LMM GmbH übernahm nach dem Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages bis zum Geschäftsjahr 1998/1999 Verluste der L. AG in Höhe von 233.388.000 DM.
In dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verpflichtete sich die LMM GmbH, den außenstehenden Aktionären der L. AG während der Vertragsdauer als Ausgleich für jedes Geschäftsjahr und für jede Aktie der L. AG im Nennbetrag von 50 DM einen Betrag in Höhe von 10,15 DM zzgl. einer Steuergutschrift in Höhe von 4,35 DM, insgesamt 14,50 DM, zu zahlen. Außerdem sagte die LMM GmbH zu, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs der L. AG dessen Aktien gegen eine Abfindung in Höhe von 176,00 DM je Aktie im Nennbetrag von 50 DM zu erwerben.
Die LMM GmbH war neben der Beteiligung an der L. AG auch alleinige Gesellschafterin der I. Aktiengesellschaft (I. AG) mit Sitz in Dortmund und mit über 90 % an der T. Maschinenbau AG (T. AG), Mannheim, beteiligt. Die LMM GmbH hatte ihrerseits mit der L.-Werke AG, Duisburg, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Die I. AG und T. AG standen damit mittelbar unter der einheitlichen Leitung der L.-Werke AG. Mit Verschmelzungsvertrag vom 30.03.1987 sollten die I. AG und T. AG auf die Rechtsvorgängerin der L. AG, die N. Getränke- und Verpackungstechnik AG, verschmolzen werden. Aufgrund von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen beim LG Mannheim und der Dauer des Instanzenzuges bis zum Bundesgerichtshof wurden die Verschmelzungen der I. AG und der T. AG ...