Leitsatz (amtlich)

1. Die - vom Verkäufer darzulegenden bzw. zu beweisenden Voraussetzungen der Ausnahmeregel des § 477 Hs. 2 BGB ("es sei denn") führen nicht schon bei ernsthaften Zweifeln an der Anfänglichkeit eines Mangels zum Ausschluss der Vermutung des § 477 Hs. 1 BGB (im Lichte von BGH, Urteil vom 12.10.2016, VIII ZR 103/15), sondern erst dann, wenn das konkrete Erscheinungsbild der Sache oder des Mangels dem Anschein nach, d.h. aufgrund eines typischen Geschehensablaufs nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine nachträgliche Mangelentstehung schließen lässt und deshalb das Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang hinreichend wahrscheinlich ist; der Käufer kann einen solchen Anschein durch den Nachweis der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs erschüttern.

2. Eine (ausnahmsweise) Unvereinbarkeit der Vermutung des § 477 Hs. 2 Alt. 1 BGB mit der Art der Sache kann auch bei gebrauchten Sachen (insbesondere Kraftfahrzeugen) wegen Alters oder Abnutzung/Verschleiß eingreifen, wobei indes die Art des Mangels zu berücksichtigen ist. Der als Ausnahme konzipierte Tatbestand "nach Art der Sache" rechtfertigt jedenfalls keinen allgemeinen Ausschluss der Vermutung des § 477 Hs. 1 BGB beim Verkauf von gebrauchten Fahrzeugen.

3. Von einer Unvereinbarkeit der Vermutung des § 477 Hs. 2 Alt. 2 BGB mit der Art des Sachmangels ist nicht bereits bei einem Sachmangel auszugehen, der typischerweise jederzeit nach Übergabe eintreten kann (z.B. ein Karosserieschaden an einem gebrauchten Fahrzeug), sondern nur dann, wenn es sich um eine äußerliche Beschädigung handelt, die auch einem fachlich nicht versierten Käufer hätte auffallen müssen.

4. Der Verkäufer kann sich seinen Gewährleistungspflichten auch nicht durch die vorgedruckte Formulierung im Kaufvertrag "Das Fahrzeug wurde probegefahren, alle Funktionen wurden vor der Auslieferung überprüft." entziehen, aber es steht ihm die Möglichkeit offen, z.B. durch eine im Einzelnen dokumentierte Übergabeinspektion (nebst Protokoll) und durch entsprechende Unterlagen (z.B. Servicehefte, Inspektions-/Wartungs-/Reparaturrechnungen etc.) seine Beweissituation zu verbessern.

5. Ersetzt der Verkäufer ein schadhaftes Altteil - aus eigener Entscheidung bzw. überobligatorisch - durch ein Neuteil, begründet dies allein jedenfalls noch keine Zuschusspflicht des Käufers bzw. ein Recht des Verkäufers, die Nacherfüllung davon im Sinne einer kategorischen (Vor-)Bedingung abhängig zu machen.

6. Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Verkäufer die Mängelbeseitigung mit dem (sei es primären, sei es sekundären) Einwand, Mängel lägen nicht vor, beharrlich auch noch verweigert, wenn die vom Kläger als Käufer gerügten, noch nicht beseitigten Mängel durch ein gerichtlich beauftragtes Gutachten bestätigt worden sind.

 

Normenkette

BGB § 477

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 23 O 236/16)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 07.03.2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das erstinstanzliche Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Rückabwicklung eines am 15.02.2016 geschlossenen Kaufvertrages über ein Gebrauchtfahrzeug BMW 530 d-Touring (Baujahr 2004, Km-Stand ca. 135.000 km) durch Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 10.100,00 EUR nebst kapitalisierten Zinsen bis 11.07.2016 in Höhe von 166,86 EUR, die Erstattung von (An-/Abmeldekosten, Kfz-Versicherung und -Steuer) in Höhe von 664,14 EUR, eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR unter Abzug einer Nutzungsentschädigung von 338,35 EUR, d.h. insgesamt 10.617,65 EUR nebst Verzugszinsen seit dem 12.07.2016 Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe; außerdem macht der Kläger die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten sowie die Zahlung von vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 957,95 EUR nebst Prozesszinsen an seinen Anwalt geltend. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nach Erörterung bzw. Hinweisen (32 ff. GA) und Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen K. (58/ 87 ff. GA) weitgehend - zum Klageantrag zu 1. indes nur in Höhe von 9.685,87 EUR - entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

I. 1. Der Kläger habe gegen den Beklagten einen Anspruch aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2 Fall 1, 323 Abs. 1 Fall 2, 434, 433 BGB auf Zahlung von 9.660,87 EUR Zug um Zug gegen Rückübereignung des in Rede stehenden PKW. Der Kläger sei gemäß §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1 BGB zu dem am 03.07.2016 erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.

1.1. Das KFZ weise einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf.

Vorliegend seien Teile des Motors, nämlich der Abgaskrümmer sowie der Turbolader, beschädigt. ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?