Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 12.10.2010; Aktenzeichen 13 O 43/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.10.2010 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Wuppertal teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 96.370,91 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2008 zu zahlen.

Wegen des erstinstanzlich weiter gehend geltenden gemachten Zinsanspru-ches wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können eine Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des gegen sie aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der O. AG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Die Beklagten waren Aufsichtsratsmitglieder der Insolvenzschuldnerin. Der Kläger nimmt sie wegen Verletzung der ihnen obliegenden Überwachungspflichten auf Erstattung von Zahlungen in Anspruch, die die Insolvenzschuldnerin in der Zeit vom 2.1.2004 bis zum 31.3.2004 an einen Teil ihrer Gläubiger leistete.

Die im Jahr 2002 mit einem Stammkapital von 50.000 EUR gegründete Insolvenzschuldnerin nahm im November 2003 ihren Geschäftsbetrieb, ein bundesweit agierendes Liniennetz von Kurierdiensten, auf. Sie nutzte dabei Büro- und Lagerräumlichkeiten, in denen zuvor eine E. K. GmbH tätig gewesen war, die ihren Geschäftsbetrieb zum 31.10.2003 eingestellt hatte. Die Aktionäre der Insolvenzschuldnerin waren jedenfalls zum Teil gleichzeitig Gläubiger der Firma E. K. GmbH. In der Zeit von November 2003 bis März 2004 erzielte die Insolvenzschuldnerin monatliche Umsätze zwischen 284.644,75 EUR und 346.120,58 EUR und erlitt Verluste zwischen 53.410,24 EUR und 159.541,50 EUR. Am 3.1.2004 fand eine Aufsichtsratssitzung statt. Der Inhalt der dort geführten Gespräche mit dem Vorstand und der vorgelegten Unterlagen ist zwischen den Parteien streitig.

In einer weiteren Aufsichtsratssitzung vom 6.3.2004 legte der Vorstand dem Aufsichtsrat einen vorläufigen Jahresabschluss und die betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die Monate November 2003 bis Februar 2004 vor. Der Jahresabschluss wies einen Verlust von 195.639,78 EUR auf. Die daraufhin einberufene Hauptversammlung beschloss Mitte März eine weitere Erhöhung des Stammkapitals sowie ein Sanierungskonzept, das jedoch nicht erfolgreich war, so dass die Verluste aus der Geschäftstätigkeit weiter anwuchsen. Im Zeitraum Januar bis Ende März 2004 wurden Zahlungen seitens der Insolvenzschuldnerin an einen Teil der Gläubiger i.H.v. insgesamt 96.370,91 EUR getätigt, welche der Kläger nunmehr gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern geltend macht.

Im Mai 2004 wurde der Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin eingestellt und Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 25.6.2004 eröffnet.

Der Kläger hat behauptet, bereits seit November 2003 bzw. spätestens Anfang 2004 habe bilanzielle Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit vorgelegen. Hiervon habe der Aufsichtsrat Kenntnis gehabt oder sich zumindest verschaffen müssen. Der Aufsichtsrat sei daher verpflichtet gewesen, weitere Auszahlungen an die Gläubiger zu verhindern und auf die frühzeitige Stellung eines Insolvenzantrages hinzuwirken. Soweit sich die Beklagten darauf beriefen, in einer am 3.1.2004 stattgefundenen fünften Aufsichtsratssitzung habe der kaufmännische Vorstand einen vorläufigen Jahresabschluss der Gesellschaft für das Jahr 2003 vorgelegt, wonach sich lediglich ein Verlust von 16.708,14 EUR bei einem Eigenkapital von 32.291,82 ergeben habe, sei diese nunmehr von den Beklagten vorgelegte "vorläufige Bilanz zum 31.12.2003" im Hinblick auf den von den Beklagten selbst eingeräumten Monatsverlust i.H.v. 138.516,16 EUR für den Monat November 2003 (vgl. Anlagenband/Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten zu 1-5, letzte Seite) widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Anders als die betriebswirtschaftlichen Auswertungen sei diese "Bilanz" von ihm auch nicht in den Geschäftsunterlagen vorgefunden worden. Die Behauptung der Beklagten, dass ein solcher vorläufiger Jahresabschluss im Rahmen einer fünften Aufsichtsratssitzung am 3.1.2004 vorgelegen habe, hat der Kläger - auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts (vgl. Bl. 40 R) - bestritten (Bl. 41 GA). Zudem hat er die Auffassung vertreten, dass ein aussagekräftiger Jahresabschluss unmittelbar nach Jahresende kaum hätte erstellt werden können. Die Beklagten seien selbst mit ihren Unternehmen Geschäftspartner der Insolvenzschuldnerin gewesen, so dass sie von den unzureichenden Umsatzzahlen frühzeitig hätten Kenntnis erlangen müssen. Zudem habe es sich um eine Unternehmensgründung in der bekanntermaßen problematischen Transportbranche...

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