Normenkette
EMRK Art 7 Abs. 1; StGB § 66b Abs. 3; StPO § 359 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Marburg (Entscheidung vom 15.04.2010) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landgerichts Marburg - 7. Strafkammer; Strafvollstreckungskammer - vom 15. April 2010 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
Der Untergebrachte war am 28. August 1987 durch das Landgericht Frankfurt am Main wegen Vergewaltigung in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexueller Nötigung und Körperverletzung, davon in einem Fall in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, sowie wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Zudem hatte das Landgericht seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet (§ 63 StGB). Bereits vorher war der Untergebrachte wegen vergleichbarer Taten zu einer Jugendstrafe von drei Jahren (Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26. Januar 1979) und einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten (Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20. Mai 1983) verurteilt worden. Das Urteil vom 28. August 1987 wurde am 17. März 1988 rechtkräftig, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen hatte (BGH, Beschluss vom 16. März 1988 - 2 StR 75/88). Der Beschwerdeführer befand sich dann zunächst zum Vollzug der Maßregel in der Klinik für forensische Psychiatrie in O1. Nach Anordnung des Vorwegvollzuges verbüßte er die verhängte Strafe vollständig und wurde anschließend am 20. Oktober 1995 in den Maßregelvollzug zurückverlegt.
Mit am 8. August 2007 rechtskräftig gewordenem Beschluss vom 24. Juli 2007 erklärte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Marburg die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Abs. 6 StGB für erledigt.
Mit Urteil vom 21. August 2008 ordnete das Landgericht Frankfurt am Main gegen den Beschwerdeführer die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 3 StGB an. Die Revision des Beschwerdeführers blieb erfolglos (BGH, Beschluss vom 21. November 2008 - 2 StR 437/08). Das Urteil vom 21. August 2008 hat damit am 22. November 2008 Rechtskraft erlangt. Seit dem 22. Januar 2009 befindet sich der Beschwerdeführer zum Vollzug der nachträglichen Sicherungsverwahrung in der JVA O2.
Er hat beantragt, aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entlassen zu werden. Mit Beschluss vom 15. April 2010 hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Unterbringung abgelehnt. Dagegen wendet sich der Untergebrachte mit der sofortigen Beschwerde.
Das gemäß § 463 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 454 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1; 311 Abs. 2 StPO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer beruht auf einem ordnungsgemäßen Verfahren. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Vollstreckungsverfahren in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO war zum damaligen Zeitpunkt aus den zutreffenden Gründen des Beschlusses des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer vom 22. Januar 2010 (Bl. 1665 d.A.) nicht geboten. Auch war hier die an sich nach § 463 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO vorgeschriebene mündliche Anhörung des Untergebrachten entbehrlich, weil er sich weigerte sich zur Anhörung vorführen zu lassen und durch einen Mitarbeiter der Anstalt ausrichten ließ, dass er auf die Anhörung verzichte (vgl. BGHR StPO § 454 Anhörung 2 m.N.).
Auch in der Sache hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht und mit zutreffender Begründung die Aussetzung der Maßregel gemäß § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB abgelehnt, weil von dem Untergebrachten im Falle seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug weiterhin die Begehung schwerwiegender, sexuell motivierter Gewalttaten zum Nachteil von Frauen zu erwarten ist.
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung in der Sache. Ohne Erfolg beruft sich der Untergebrachte auf die neueste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 19359/04 = BeckRS 2010, 01692) und in dessen Folge des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 4 StR 577/09) wonach für die Sicherungsverwahrung ungeachtet ihrer Bezeichnung im deutschen Recht als "Maßregel der Besserung und Sicherung" das Rückwirkungsverbot gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK gilt.
Deutsche Gerichte haben die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BGH a.a.O. m.N.). Auch nach diesem Maßstab ist der Senat aber aus rechtlichen Gründen gehindert, in dem bei ihm anhängigen Vollstreckungsverfahren unter Anwendung der in den beiden genannten Entscheidungen aufgestellten Grundsätze die Maßregel entsprechend dem Antrag des Unte...