Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 269 Abs. 3, Nr. 3 ZPO ist auch bei Rücknahme eines Aufhebungsantrags nach § 927 ZPO anwendbar.
2. Will der Antragsgegner eines Eilverfahrens den nachträglichen Wegfall der Voraussetzungen für die erlassene einstweilige Verfügung geltend machen, hat er grundsätzlich ein Wahlrecht, dies im Widerspruchsverfahren oder im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens nach § 927 ZPO geltend zu machen.
3. Der maßgebende Zeitpunkt, nach welchem der den Aufhebungsgrund bildende Umstand eingetreten sein muss, ist die Anordnung der einstweiligen Verfügung.
Dies ist der Zeitpunkt, in dem das Gericht die Entscheidung unterschrieben und in den Geschäftsgang gegeben hat.
4. Als nachträglich müssen auch solche Umstände angesehen werden, die zwar objektiv bei Erlass der einstweiligen Verfügung bereits gegeben, dem Antragsgegner aber nicht bekannt waren.
Normenkette
ZPO §§ 3, 269 Abs. 3, § 927
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.02.2005; Aktenzeichen 3-8 O 177/04) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Die Antragstellerin hat die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
Die gem. § 269 V ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen des § 269 Abs. 3, Nr. 3 ZPO sind erfüllt, da die Antragsgegnerin ihren Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO zurückgenommen hat, der Anlass für diesen Antrag weggefallen ist und es nach den Gesamtumständen der Billigkeit entspricht, der Antragstellerin die Kosten des Aufhebungsantrages aufzuerlegen.
Die Vorschrift des § 269 Abs. 3, Nr. 3 ZPO ist grundsätzlich auf alle Verfahrensarten - jedenfalls analog - anwendbar (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 269 Rz. 3, m.w.N.); dies gilt auch für das Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO.
Der Anlass für das Aufhebungsverfahren ist im vorliegenden Fall dadurch weggefallen, dass die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31.12.2004, bei Gericht eingegangen per Fax am 3.1.2005 und im Original am 4.1.2005 und der Antragsgegnerin zugestellt am 12.1.2005, das Eilverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt hat; infolge dieser Erledigungserklärung bedurfte es einer formellen Aufhebung der einstweiligen Verfügung gem. § 927 ZPO nicht mehr. Der Anwendbarkeit des § 269 Abs. 3, Nr. 3 ZPO steht dabei nicht entgegen, dass der Aufhebungsantrag erst am 6.1.2005 und damit nach Wegfall des ihn begründenden Anlasses eingereicht worden ist (vgl. Allgemein zur Anwendbarkeit der Vorschrift bei Wegfall des Klageanlasses vor Klageeinreichung Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 269 Rz. 18d, m.w.N.).
Es entspricht auch der Billigkeit, die Antragstellerin mit den Kosten des Aufhebungsverfahrens zu belasten, da der Aufhebungsantrag ohne die Erledigungserklärung der Antragstellerin Erfolg gehabt hätte und die Antragsgegnerin die Einreichung des Aufhebungsantrages aus ihrer Sicht für geboten halten durfte.
Wenn der Antragsgegner im Eilverfahren geltend machen will, dass die Voraussetzungen für die zunächst erlassene einstweilige Verfügung nachträglich weggefallen seien, hat er grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er diesen Gesichtspunkt im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nach § 924 ZPO oder - soweit die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind - im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens nach § 927 ZPO geltend machen will; ausgeschlossen ist lediglich ein paralleles Vorgehen in den genannten Verfahren. Der Senat schließt sich insoweit der fast einhelligen Meinung im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 56 Rz. 24; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 60 Rz. 33; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Bd. I, 2. Aufl., § 927 Rz. 2; jeweils m.w.N.; a.A.: Mädrich, Das Verhältnis der Rechtsbehelfe des Antragsgegners im einstweiligen Verfügungsverfahren, 1980, S. 39 ff.) an.
Im vorliegenden Fall wären auch die Voraussetzungen für einen Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO erfüllt gewesen.
Die Antragsgegnerin wollte sich darauf berufen, dass die Wiederholungsgefahr für den mit der einstweiligen Verfügung untersagten Wettbewerbsverstoß durch die mit Anwaltsschreiben vom 20.12.2004 abgegebene und mit weiterem Anwaltsschreiben vom 29.12.2004 untermauerte strafbewehrte Unterlassungserklärung entfallen sei. In der Beseitigung der Wiederholungsgefahr durch eine solche Erklärung liegt grundsätzlich ein Umstand, der einen Aufhebungsantrag nach § 927 ZPO rechtfertigen kann (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 56 Rz. 31).
Die von der Antragsgegnerin abgegebene Unterwerfungserklärung ist auch als "nachträglicher" Umstand i.S.v. § 927 ZPO anzusehen. Soweit - wie hier - die Aufhebung einer Beschlussverfügung angestrebt wird, ist der maßgebliche Zeitpunkt, nach welchem der den Aufhebungsgrund bildende Umstand eingetreten sein muss, die Anordnung der einstweiligen Verfügung (Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufig...