Leitsatz (amtlich)
1.
Beschwerde kann auch durch nicht unterschriebenes Telefax formwirksam eingelegt werden, wenn der Urheber daraus in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise und dessen Wille hervorgeht, Beschwerde einzulegen.
2.
Hat ein Verurteilter nach Abbruch einer Therapie sich ständig um die Fortsetzung der Behandlung oder die Aufnahme in eine vergleichbare Einrichtung bemüht und dadurch seinen fortbestehenden Willen dokumentiert, so stellt dies auch dann noch einen "alsbaldigen" Beginn der Behandlung derselben Art im Sinne des § 35 V 1 BtMG dar, wenn zwischen dem Abbruch der Behandlung und deren Fortsetzung mehrere Monate liegen, sofern entsprechende Bemühungen der Vollstreckungsbehörde bekannt und nachgewiesen sind.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 30.10.2002; Aktenzeichen 1 KLs 961 Js 735/02) |
Gründe
I.
Das Landgericht Darmstadt verhängte gegen den Verurteilten am 30.10.2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Darmstadt vom 19.12.2005 wurde die weitere Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe gemäß § 35 Abs. 1 und 3 BtMG zugunsten einer stationären Therapie in der A-Klinik in O2 ab dem 28.12.2005 zurückgestellt. Nachdem die Aufnahme in die Therapieeinrichtung daran scheiterte, daß der Verurteilte nicht drogenfrei zur Aufnahme erschienen war, befand sich der Verurteilte ab dem 17.01.2006 in der Therapeutische Einrichtung "C" in O3. Dies teilte er der Staatsanwaltschaft mit, die wiederum die Zurückstellung der Strafvollstreckung auch für diese Einrichtung gewährte.
Am 21.02.2006 wurde der Verurteilte aus der Therapieeinrichtung disziplinarisch entlassen, nachdem er diese am 16.02.2006 unabgesprochen verlassen, dabei "Crack" konsumiert und einer Mitpatientin ebenfalls "Crack" angeboten hatte und die Einrichtung eine weitere Behandlung aufgrund der mangelnden Kooperation des Verurteilten als wenig sinnvoll ansah. Daraufhin widerrief die Staatsanwaltschaft am 19.04.2006 gemäß § 35 Abs. 5 BtMG die gewährte Zurückstellung der Strafvollstreckung.
Den hiergegen gerichteten "Antrag auf Aussetzung zur Bewährung" der noch zu verbüßenden Strafe hat die Strafkammer als Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 35 Abs. 7 Satz 2 BtMG) gewertet und mit dem angefochtenen Beschluß aufgrund mangelnder Therapiewilligkeit des Verurteilten zurückgewiesen.
II.
Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seinem fristgerecht per Telefax - ohne Unterschrift - eingelegten "Widerspruch", der als - statthafte (§§ 35 Abs. 7 Satz 4 BtMG, 462 Abs. 3 Satz 1 StPO) - sofortige Beschwerde zu werten ist.
1.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und - entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht - formgerecht, nämlich schriftlich (§ 306 Abs. 1 2. Alt. StPO), eingelegt. Daran ändert auch nichts, daß das per Telefax übersandte Schreiben keine Unterschrift enthält.
Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum setzt die Einhaltung der Schriftform im Sinne des § 306 StPO nicht voraus, daß der Rechtsmittelführer die Erklärung eigenhändig unterschrieben hat; vielmehr genügt es, wenn aus dem Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise der Urheber und dessen Wille hervorgeht, Beschwerde einzulegen (BGHSt 2, 77, 78; 12, 317; KK-Engelhardt, StPO, 5. A., § 306 RN 8; Meyer-Goßner, StPO, 49. A., § 306 RN 3; Einl. RN 128; vgl. KK-Ruß, StPO, 5. A., § 314 RN 10). Nichts anderes kann gelten, wenn das Rechtsmittel nicht im Original, sondern - was ebenfalls der Schriftform genügt (KK-Ruß, StPO, 5. A., § 314 RN 13; Meyer-Goßner, StPO, 49. A., Einl. RN 139a) - per Telefax übermittelt wird.
Die von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht zitierte Entscheidung des Senats vom 31.07.2001 - 3 Ws 741/01 - (NStZ-RR 2001, 375) steht dem nicht entgegen. Der Senat hat insoweit entschieden, daß die Einlegung eines Rechtsmittels per Telefax mit einer mitfotokopierten Unterschrift zulässig ist, ohne daß es des zusätzlichen Eingangs des Originalschriftsatzes bedarf, da es für die Beurteilung der Wirksamkeit eines elektronisch übermittelten Schriftsatzes nicht auf eine beim Absender vorhandene Kopiervorlage, sondern allein auf die auf seine Veranlassung bei dem Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde ankommt (Senat, NStZ-RR 2001, 375, 376; vgl. GmS-OGB, NJW 2000, 2340, 2341). Ausgangspunkt ist insoweit, daß Verfahrensvorschriften nicht Selbstzweck sind; auch sie dienen letztlich der Wahrung der materiellen Rechte der Prozeßbeteiligten, sollen also die einwandfreie Durchführung des Rechtsstreits unter Wahrung der Rechte aller Beteiligten sicherstellen und nicht behindern. Das Schriftlichkeitserfordernis soll insoweit allein gewährleisten, daß aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können; außerdem muß ...