Leitsatz (amtlich)

Zur Bestimmung des Rechtsweges bei einer Klage einer gesetzlichen Krankenkasse wegen nicht entrichteter Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach Insolvenz der Beitragsschuldnerin.

 

Normenkette

GVG § 17a; SGG § 51

 

Verfahrensgang

LG Kassel (Beschluss vom 17.07.2006; Aktenzeichen 7 O 154/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Kassel vom 17.7.2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf 1.800 EUR.

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Bei ihr waren in der Zeit vom 1.4.1997 bis 31.5.1997 Mitarbeiter der A GmbH krankenversichert. Über das Vermögen dieser GmbH wurde mit Beschluss des AG Göttingen vom 1.9.1997 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Mit Schreiben vom 5.11.1997 meldete die Klägerin beim Beklagten von der Gemeinschuldnerin für die Monate April und Mai 1997 nicht entrichtete Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumniszuschläge und Mahngebühren i.H.v. insgesamt 6.516,20 EUR (12.744,59 DM gemäß Substantiierung Blatt 3 der Klageschrift) als Masseschuld an. Weil die Masseanmeldung nicht in das Masseverzeichnis aufgenommen wurde, fand die Schlussverteilung ohne Berücksichtigung der Anmeldung der Klägerin statt. Aufgrund Nachfragen der Klägerin teilte der Beklagte ihr mit Schreiben vom 18.7.2005 u.a. mit, die Masse reiche für eine Bedienung nicht aus, nachdem die Schlussverteilung bereits vollzogen worden sei.

Mit der im Januar 2006 beim LG Kassel eingereichten und im Februar 2006 zugestellten Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten persönlich Schadensersatz i.H.v. 6.516,20 EUR mit der Begründung, der Beklagte hafte ihr gem. § 82 KO sowie aus § 823 Abs. 1 BGB (gemeint wohl: § 823 Abs. 2 BGB) auf Schadensersatz, weil er pflichtwidrig die angemeldete Masseverbindlichkeit nicht befriedigt habe.

Der Beklagte hat vorab die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs gerügt. Er ist der Auffassung, für die Klage sei die Sozialgerichtsbarkeit zuständig, weil es sich um einen Streit über eine Beitragsschuld handele.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG gem. § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG den beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt. Gegen diesen Beschluss, der dem Beklagten am 20.7.2006 zugestellt wurde, richtet sich die am 2.8.2006 eingelegte sofortige Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat. Der Beklagte meint, gem. § 51 SGG sei der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, weil es sich in der Sache um ein Streit über eine Sozialversicherungsbeitragsschuld handele. Insbesondere gehe es um die Frage, ob der Masseschuldcharakter von Sozialversicherungsbeiträgen durch Beitragsbescheid gegen den Konkursverwalter festgestellt werden müsse oder nicht. An der Rechtsnatur des Klagebegehrens ändere sich nichts dadurch, dass die Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen einer Haftung nach § 82 KO geltend gemacht würden. Den Konkursverwalter treffe nämlich auf konkursrechtlicher Grundlage einer Einstandspflicht, die mit der gesellschaftsrechtlichen Durchgriffshaftung vergleichbar sei.

II. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte und auch im Übrigen gem. §§ 567 ff. ZPO zulässige, insb. form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg; denn die angefochtene Entscheidung ist richtig.

Zuständig für die von der Klägerin erhobene Leistungsklage sind gem. § 13 GVG die ordentlichen Gerichte (Zivilgerichte); die Streitigkeit fällt entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung nicht in die gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG begründete Sonderzuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit. Nach § 51 Abs. Nr. 2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zwar u.a. über Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Um eine solche Streitigkeit handelt es sich aber vorliegend deshalb nicht, weil es nicht um eine Angelegenheit der gesetzlichen Krankenversicherung geht, insb. keine Ansprüche auf Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen streitbefangen sind.

Maßgebend für den Rechtsweg ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHv. 16.2.1984 - IX ZR 45/83, MDR 1984, 576 =NJW 1984, 1622 ff.; 1978, 2091 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen) die Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs, wie sie sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei ergibt. Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist der Sachvortrag des Klägers (vgl. BGHZ 72, 56, 57 m.w.N.), da er über den Streitgegenstand bestimmt. Die Einwendungen des Beklagten sind daher unbeachtlich, es kommt mithin nicht darauf an, ob sie sich aus bürgerlich-rechtlichen oder aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben (vgl. BGH, a.a.O.; BGH v. 24.6.1985 - III ZR 219/83, MDR 1986, 30 = NJW 1985, 2820 m.w.N.; Zöller/Gummer, GVG 25...

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