Leitsatz (amtlich)
Entbehrlichkeit des Exequaturverfahrens für Entscheidungen eines EU-Mitgliedsstaates
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.08.2012; Aktenzeichen 457 F 6273/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 06.10.2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 14.08.2012 wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Antrag der Antragsteller vom 27. Juni 2012 zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens erster Instanz tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner.
Gründe
I. Zwischen der gesetzlichen Vertreterin der Antragsteller und dem Beschwerdeführer wurde vor dem Bezirksgericht in Stadt1 (Polen) zu Az. .../10 ein Scheidungsverfahren geführt, welches 2010 eingeleitet wurde.
Auf Antrag der gesetzlichen Vertreterin der Antragsteller vom 28.12.2011 erging am 05.01.2012 ein Beschluss, wonach der Beschwerdeführer für den Zeitraum der laufenden Verhandlung monatlichen Unterhalt zu Gunsten der gemeinsamen minderjährigen Kinder A, geboren am XX.XX.2005, und B, geboren am XX.XX.2007, von jeweils1.000 Zloty, zusammen also 2.000 Zloty monatlich zu Händen der gesetzlichen Vertreterin der Kinder zu zahlen hat. Wegen des weiteren Inhalts des Beschlusses des Bezirksgerichts wird auf Bl. 7 bis 9 d.A. (Kopie des polnischen Originals) und Bl. 10 bis 16 (vereidigte Übersetzung) Bezug genommen.
Mit Antrag vom 27.06.2012 beantragten die Antragsteller, den Beschluss vom 05.01.2012 für vollstreckbar zu erklären und mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.08.2012 wurde der Beschluss des Bezirksgerichts mit einer Vollstreckungsklausel versehen. Wegen des weiteren Inhalts des angefochtenen Beschlusses wird auf Bl. 17 bis 19 d. A. Bezug genommen. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 06.09.2012 zugestellt.
Mit der Beschwerde macht der Beschwerdeführer unter anderem als Anerkennungshindernis geltend, dass der Beschluss des Bezirksgerichts ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei und dass ihm alle Dokumente nur auf Polnisch zugingen, welches er schlecht verstehe.
Er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Im Scheidungsverfahren erging am 16.04.2013 ein Urteil des Bezirksgerichts in Stadt1, wonach die Ehe der Eltern der Antragsteller geschieden wurde. Weiter enthält das Urteil Regelungen zum Sorge- und Umgangsrecht. Unter Ziffer 3 wurde entschieden, dass der Beschwerdeführer monatlichen Unterhalt von 1.000 Zloty für jedes Kind zu zahlen hat zu Händen der gesetzlichen Vertreterin der Antragsteller. Ein Datum für den Beginn der Unterhaltszahlungen wurde dort nicht genannt. Wegen des weiteren Inhalts des Urteils wird auf Bl. 255 ff. d.A. Bezug genommen.
Der Senat hat mehrere Hinweise erteilt, unter anderem am 23.07.2014, dass wenn das einstweilige Anordnungsverfahren am 28.12.2011 eingeleitet worden wäre, kein Exequatur-Verfahren notwendig ist und die Vollstreckung ohne Klausel stattfände.
Mit Schreiben vom 08.12.2014 hat das Bezirksgericht in Stadt2 gegenüber dem Bundesamt dargelegt, dass in Polen obligatorisch mit der Scheidung auch über folgende Sachen entschieden werde: wer die Schuld für die Zerrüttung trage, die elterliche Sorge, Kontakt der Eltern mit dem Kind, Unterhaltungs- und Erziehungskosten des Kindes und die Benutzung der Wohnung. Auf Antrag werde auch über die Teilung des gemeinsamen Vermögens entschieden. Zu den Einzelheiten der Stellungnahme des polnischen Bezirksgerichts wird auf das Schreiben vom 08.12.2014 (Bl. 245 ff d. A.) Bezug genommen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist gem. Artikel 75 Abs. 2 a, Artikel 32 Abs. 1 u. 2 der Verordnung (EG Nr. 4/2009) des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (im Folgenden: VO [EG] Nr. 4/2009) in Verbindung mit § 1 S. 1 Nr. 1 a, 43 Auslandsunterhaltsgesetz (AUG), dem Durchführungsgesetz der Verordnung (EG) Nr. 4/2009, statthaft und zulässig.
Insbesondere ist die Rechtsbehelfsfrist von 30 Tagen gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 AUG i.V.m. Artikel 32 Abs. 5 VO (EG) Nr. 4/2009 gewahrt.
Die Beschwerde ist auch begründet. Die Entscheidung des Bezirksgerichts in Stadt1 ist ohne besonderes Exequaturverfahren vollstreckbar, weil der der Entscheidung zugrunde liegende Antrag nach dem 18.06.2011 gestellt wurde.
Gemäß Art. 17 Abs. 2 VO [EG] Nr. 4/2009 sind Entscheidungen eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union wie Polen, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, unmittelbar vollstreckbar, so dass es eines Exequaturverfahrens nicht bedarf. Voraussetzung hierfür ist, dass das Unterhaltsverfahren ab dem 18.06.2011 eingeleitet wurde, vgl. Art. 75 Abs. 1, Art. ...