Leitsatz (amtlich)

Allein die Tatsache, dass ein volljähriges Kind jeglichen Kontakt zum Unterhaltspflichtigen ablehnt, führt nicht zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs.

Die Ablehnung einer Kontaktaufnahme mit dem unterhaltspflichtigen Elternteil stellt jedenfalls dann keine schwere Verfehlung dar, wenn zuvor über einen Zeitraum von zehn Jahren überhaupt keine persönliche Begegnung stattgefunden hat (Anschluss an BGH, Urteil v. 5.11.1997 - XII ZR 20/96, NJW 1998, 978, Ziffer 4c).

Fehlende Kontaktaufnahme zum Unterhaltspflichtigen kann nur dann zur Verwirkung führen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Gesamtverhalten als schwere Verfehlung erscheinen lassen, denkbar etwa bei zusätzlichen schweren Beleidigungen.

Soweit in einem Abänderungsverfahren eine bisher titulierte Unterhaltsforderung aufrechterhalten bleibt, sind darauf bereits geleistete Zahlungen (anders als freiwillige Leistungen vor Titulierung) im Tenor nicht auszuweisen.

 

Normenkette

BGB §§ 1606, 1610-1611; FamFG §§ 239, 243

 

Verfahrensgang

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 402 F 2074/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 22.07.2019 und die Anschlussbeschwerde des Antragstellers vom 26.09.2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt, Außenstelle Höchst, vom 18.06.2019 - unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen - wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Der Antragsteller wird in Abänderung der Jugendamtsurkunde des ... vom 29.09.2008 zu Urkunden-Registernummer 479/2008 verpflichtet, an die Antragsgegnerin Unterhalt wie folgt zu zahlen:

Im Zeitraum von Februar 2018 bis einschließlich Mai 2018 jeweils monatlich 251,- Euro,

im Zeitraum von Juni 2018 bis einschließlich August 2018 jeweils monatlich 246,- Euro,

im Zeitraum von September 2018 bis einschließlich Juni 2019 jeweils monatlich 84,- Euro,

im Zeitraum von Juli 2019 bis einschließlich August 2019 jeweils monatlich 80,- Euro,

im Zeitraum von September 2019 bis einschließlich Dezember 2019 jeweils monatlich 201,- Euro,

und seit Januar 2020 jeweils monatlich 245,- Euro.

Im Übrigen wird der Abänderungsantrag des Antragstellers zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die sofortige Wirksamkeit der vorstehenden Entscheidung zum Unterhalt ab September 2020 wird angeordnet.

Der Beschwerdewert wird auf 6.146,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin ist die Tochter des Antragstellers. Die Beteiligten streiten um die Abänderung einer zum Zeitpunkt der Minderjährigkeit der Antragsgegnerin erstellten Jugendamtsurkunde zum Unterhalt nach Volljährigkeit der Antragsgegnerin. Der Antragsteller und die Mutter der Antragsgegnerin haben sich getrennt, als die Antragsgegnerin noch ein Kleinkind war. Ein persönlicher Kontakt zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin fand nach der Trennung nicht mehr statt, unter anderem deshalb, weil der Antragsteller begleitete Umgangskontakte ablehnte. In der Zeit der Minderjährigkeit nach der Trennung der Eltern suchte auch der Antragsteller keinen Kontakt zur Antragsgegnerin.

Mit Urkunde vom 29.09.2008 zu Urkunden-Registernummer 479/2008 verpflichtete sich der Antragsteller, an die am 20.01.2000 geborene Antragsgegnerin 120% des jeweiligen Mindestunterhalts, vermindert um die Hälfte des jeweiligen gesetzlichen Kindergeldes für ein erstes gemeinsames Kind, zu Händen der Kindesmutter zu zahlen.

Außergerichtlich forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23.01.2018 zur Erklärung über ihre Einkünfte und ihr Vermögen auf.

Die Antragsgegnerin machte Anfang Juni 2018 ihr Abitur mit einem Notenschnitt von 1,5. Vom 04.06.2018 bis zum 31.08.2018 machte sie eine Regiehospitanz bei den Kammerspielen F. In diesem Zeitraum wohnte sie noch bei ihrer Mutter. Vom 01.09.2018 bis zum 31.08.2019 absolvierte sie ein Praktikum am Theater in L. In diesem Zeitraum wohnte sie in einem Ein-Zimmer-Apartment mit einer Größe von 43 qm zu einer monatlichen Miete von 400,- Euro und erhielt eine Vergütung von 320,- Euro monatlich. Seit dem 01.09.2019 studiert sie in Vollzeit Theaterpädagogik in L., wohnt in O. und hat seitdem keine eigenen Einkünfte.

Die Mutter der Antragsgegnerin hat - inklusive Mieteinnahmen - ein monatliches Nettoeinkommen von 4.887,22 Euro, der Antragsteller hat ein monatliches Nettoeinkommen von 3.478,31 Euro.

Der Antragsteller meint, dass die Antragsgegnerin ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe, weil sie keinen persönlichen Kontakt mit ihm zulasse bzw. weil sie die Einkommenssteuererklärung der Mutter nicht zeitnah vorgelegt habe. Weiterhin meint der Antragsgegner, dass die Wohnkosten in L. übersetzt seien und die Antragsgegnerin sich ein günstigeres WG-Zimmer hätte suchen können. Überdies bestehe für die Zeit des zweiten Praktikums kein Unterhaltsanspruch.

Die Antragsgegnerin behauptet einen Mehrbedarf aufgrund teurerer Ernährung wegen Zöliakie von 97,- Euro monatlich.

Erstinstanzlich beantragte der Antragsteller, die Jugendamtsurkunde vom 2...

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