Leitsatz (amtlich)
1.
Werden mehrere Strafen unterschiedlicher Tatgerichte im Anschluss vollstreckt, so kann dasjenige Tatgericht, dessen erkannte Strafe zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags der Staatsanwaltschaft auf nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bereits vollständig vollstreckt war, zum Erlass des Unterbringungsbefehls nicht berufen sein, selbst wenn es auf die höchste aller verhängten Strafen erkannt hat.
2.
Die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66 I, II StGB) kommt nur in Betracht, wenn neue, also nach der Verurteilung entstandene oder bekannt gewordene Umstände vorliegen, welche die Gefährlichkeit des Verurteilten gegenüber dem verurteilenden Erkenntnis deutlich erhöhen. Solche Tatsachen können sich auch aus einem zur Frage einer bedingten Entlassung eingeholten Prognosegutachten ergeben.
3.
Ob eine Tatsache neu im vorgenannten Sinne ist, bemisst sich im Falle der Anschlussvollstreckung mehrerer Strafen nach dem Zeitpunkt, des letzten Urteils, in dem der Tatrichter eine Entscheidung über die primäre Anordnung der Sicherungsverwahrung hätte treffen können.
4.
Eine Anwendung des § 66 b I und II StGB scheidet aus, wenn die Sachlage gegenüber dem Zeitpunkt des Ausgangsurteils unverändert ist und sich lediglich in der Bewertung der prognoserelevanten Tatsachen eine Abweichung ergeben hat. Ebenso kommt § 66 b I StGB nicht zum Tragen, wenn feststeht, dass das erkennende Gericht auch bei Kenntnis und unter Berücksichtigung der neuen Tatsachen nicht zu einer Anordnung der Sicherungsverwahrung gelangt wäre, wie etwa im Falle einer fehlerhaften Verneinung nur der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung, aber Bejahung der Gefährlichkeit i. S. des § 66 I Nr. 3 StGB.
5.
Das für die Anordnung der primären Sicherungsverwahrung erforderliche Merkmal des Hangs ist auch Voraussetzung einer nachträglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach §§ 66 b I und II StGB.
6.
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gem. Art 100 I GG zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 66 b I StGB ist im Verfahren nach § 275 a StPO, in dem es lediglich um die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Unterbringung des Betroffenen geht, nicht angezeigt.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.09.2004; Aktenzeichen 5/25 AR 1/04) |
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Gründe
I.
1.
Der seit dem Jahre 1985 in der Bundesrepublik Deutschland lebende, in Y geborene, mittlerweile staatenlose und mit einem bis zum Jahre 2038 befristeten Aufenthaltsverbot in seinem Heimatland belegte Betroffene wurde durch das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21.01.1987, Aktenzeichen 1 KLs 76 Js 29778/86, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren verurteilt.
a.
Nach den dort getroffenen Feststellungen hatte er in O 1 am 06.10.1986 nachts einer ihm zuvor nicht bekannten Studentin angeboten, sie mit dem PKW von einem Lokal, in dem sich beide als Gäste aufgehalten hatten, nach Hause zu fahren. Die Studentin nahm dieses Angebot an. Als sie in der Nähe ihrer Wohnung aus dem Fahrzeug des Betroffenen aussteigen wollte, fragte dieser sie, ob er mit in ihre Wohnung kommen könne. Als die Geschädigte dies verneinte, hielt er sie plötzlich am Hals fest und zog sie an den Haaren zu sich herüber. Dabei würgte er sie, bis sie keine Luft mehr bekam und momentweise das Bewußtsein verlor. Sodann stieß er die Geschädigte quer über die Vordersitze - den Kopf zur Fahrerseite. Mit der einen Hand hielt er sie am Hals fest, mit der anderen zog er ihr die Strumpfhose, die Unterhose und den BH aus. Ferner streifte er ihr Kleid bis zum Hals hoch. Als die Studentin versuchte, sich zu wehren, drückte ihr der Betroffene den Hals zu, so daß sie begann, Todesangst zu empfinden, und drohte ihr, sie könne tun, was sie wolle, er werde sie doch umbringen. Zudem gab er ihr zwei feste Ohrfeigen, wovon sie noch mehrere Tage Schmerzen hatte. Dann zog der Betroffene, der das Opfer mit der einen Hand weiterhin festhielt, sich selbst Hose und Unterhose herunter und verlangte von dem Opfer, ihn mit der Hand sexuell zu befriedigen. Da die Geschädigte dies energisch ablehnte, rieb er sein Glied selbst. Dann führte er sein erigiertes Glied in ihre Scheide ein und übte den Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguß aus. Danach gelang es der Geschädigten, sich aus dem Auto zu befreien und zu entkommen. Sie hatte in der Folgezeit aufgrund der erlittenen Mißhandlungen Blutergüsse am Oberkörper, dem Hals und den Armen, litt etwa einen Monat unter Depressionen sowie noch zur Zeit des Urteils teilweise unter Magenschmerzen und Schlafstörungen.
In der Hauptverhandlung hatte der Betroffene die Tat im wesentlichen eingestanden und lediglich behauptet, das Opfer habe vor dem Aussteigen mit ihm geschmust und ihm einen Abschiedskuß gegeben.
Ausweislich der von der Strafkammer getroffenen Feststellungen ist er Betroffene vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in der Ze...