Entscheidungsstichwort (Thema)

Erneute Anordnung der Sicherungsverwahrung. Anwendungsbereich der seit dem 1. Juni 2013 geltenden Neuregelung auf die sogenannten Vertrauensschutzfälle

 

Leitsatz (amtlich)

§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB ist auf Versäumnisse bei der Behandlung im Vollzug der Sicherungsverwahrung, die in der Zeit bis zum 31. Mai 2013 eingetreten sind, nicht anwendbar.

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Entscheidung vom 23.01.2013; Aktenzeichen 7 StVK 277/12)

LG Marburg (Entscheidung vom 23.01.2013; Aktenzeichen 7 StVK 319/12)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landgerichts Marburg - 7. Strafkammer (Strafvollstreckungskammer) - vom 23. Januar 2013 wird verworfen.

Der Untergebrachte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 StPO).

 

Gründe

Der Beschwerdeführer befindet sich in der Sicherungsverwahrung, die durch Urteile des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 11. Juni 19... (22 Js .../86 - erste Sicherungsverwahrung) und vom 14. Dezember 19... (25 Js .../93 - zweite Sicherungsverwahrung) gegen ihn angeordnet wurde.

Die mit Urteil vom 11. Juni 19... verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten wegen versuchter Vergewaltigung hatte der Untergebrachte am 7. April 19... vollständig verbüßt und befand sich anschließend im Vollzug der Sicherungsverwahrung. Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 14. August 19... wurde er gemäß § 67a Abs. 2 StGB in den Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus überwiesen. Dort nutzte er am 3. August 19... einen begleiteten Ausgang zur Flucht und beging sogleich die nächste Tat. Er vergewaltigte und misshandelte eine Frau. Das Landgericht Limburg an der Lahn verurteilte ihn aufgrund dessen am 14. Dezember 19... wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und ordnete erneut die Sicherungsverwahrung an. Nach vollständiger Verbüßung dieser Freiheitstrafe bis zum 3. August 19... erfolgte zunächst die weitere Vollstreckung der ersten Sicherungsverwahrung bis zur 10-Jahres-Frist, die am 6. April 20... erreicht war. Seit diesem Zeitpunkt wird die zweite Sicherungsverwahrung vollzogen. Insoweit endet die 10-Jahres-Frist am 6. April 20....

Mit Beschluss vom 23. Januar 2013 hat die Strafvollstreckungskammer es abgelehnt die Sicherungsverwahrungen zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären.

Dagegen wendet sich der Untergebrachte mit der sofortigen Beschwerde.

Das gemäß §§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1, 311 StPO zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Anders als noch das Landgericht hat der Senat allerdings nicht mehr nach den Vorgaben der Weitergeltungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts für die Übergangszeit bis zum 31. Mai 2013 (Urteil vom 4. Mai 2011 2 BvR 2356/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 ff.), sondern auf der Grundlage der seit dem 1. Juni 2013 geltenden neuen Gesetzeslage zu entscheiden, mit der der Gesetzgeber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt hat. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass seit dem 1. Juni 2013 die durch das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf das Abstandsgebot aufgestellten Anforderungen erfüllt sind, damit die Grundlage für die Einordnung der betreffenden Regelungen als mit dem Grundgesetz unvereinbar und die Befristung der Weitergeltungsanordnung entfallen ist (BT-Drs 17/11388 S. 34).

Danach sind gemäß Art. 316e Abs. 1 und Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB grundsätzlich die bisher geltenden Vorschriften anzuwenden, in den sogenannten "Vertrauensschutzfällen" jedoch mit den sich aus Art. 316f Abs. 2 Sätze 2 bis 4 ergebenden erhöhten Anforderungen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 2013 - 1 StR 48/13 - zum Abdruck in BGHSt vorgesehen). Diese modifizierte Fortgeltung der bisherigen Vorschriften ist verfassungs- und konventionsgemäß (BGH aaO.).

Das heißt zunächst, dass die gegen den Untergebrachten angeordneten Sicherungswahrungen zur Bewährung ausgesetzt werden könnten, wenn zu erwarten wäre, dass er außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begeht (§ 67d Abs. 2 Satz 1 StGB). Diese Voraussetzung liegt, wie die Strafvollstreckungskammer im Einzelnen und zutreffend ausgeführt hat, hier nicht vor. Die Kriminalprognose ist ungünstig.

Die Sicherungsverwahrungen sind aber auch nicht nach § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB für erledigt zu erklären. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch die potentielle Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, nämlich schwere Sexualstraftaten, namentlich Vergewaltigungsdelikte. Auch insoweit nimmt der Senat auf die ausführlichen Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug.

Die Fortdauer der Sicherungsverwahrung aufgrund einer gesetzlichen Regelung, die zur Zeit der letzten Anlasstat noch nicht in Kraft getreten war, ist allerdings nach der gesetzlichen Neuregelung nur zulässig, wenn bei dem Betroffenen eine psychische Störung vorliegt und aus konkreten Umständen in seiner ...

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