Entscheidungsstichwort (Thema)
PoliScanSpeed und Auswertesoftware TUFF-Viewer
Leitsatz (amtlich)
1. Der Prüfungsumfang beim standardisierten Messverfahren
2. Die Rolle der PTB und der Gutachter im standardisierten Messverfahren
3. PoliScanSpeed und die Auswertesoftware TUFF-Viewer
Normenkette
StPO §§ 48, 73, 78, 249, 256 Abs. 1, § 275; OWiG § 72; EichG §§ 13, 25; EichO
Verfahrensgang
AG Friedberg (Hessen) (Entscheidung vom 15.08.2014; Aktenzeichen 45 a 204 Js 9104/13) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Amtsgerichts Friedberg vom 15.08.2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über Kosten des Rechtsmittels, an die gleiche Abteilung des Amtsgerichts Friedberg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Bußgeldbescheid vom 11.02.2013 ist gegen die Betroffene wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h, eine Geldbuße von 190,- Euro festgesetzt, sowie ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet worden. Die Messung war mit dem Geschwindigkeitsmessgerät der Firma Vitronic, Modell PoliScanspeed mit der Messgerätesoftware Version 1.5.5 durchgeführt und mit dem TUFF-Viewer Version 3.45.1 ausgewertet worden.
Auf Einspruch hat das Amtsgerichts Friedberg durch Beschluß vom 15.08.2014 die Betroffenen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Nach den Feststellungen in dem angegriffenen Beschluß sah sich das Amtsgericht nach Beiziehung eines in einem anderen Verfahren erstellten Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (...) nicht in der Lage mit der für eine Verurteilung notwendigen Gewissheit festzustellen, dass der Geschwindigkeitsverstoß der Betroffene auf einer ordnungsgemäßen Messung beruht. Zusammenfassend wurden trotz Zulassung durch die PTB grds. Vorbehalte gegen die Messsoftware 1.5.5. sowie insb. die Auswertesoftware TUFF-Viewer Version 3.45.1 geltend gemacht.
Die hiergegen eingelegte form- und fristgerechte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten wird, führt bereits auf Sachrüge zur Aufhebung des freisprechenden Beschlusses.
II.
Da der vorliegend nach § 72 OWiG ergangene Beschluß einer Gerichtsentscheidung mit urteilsgleichem Inhalt gleichsteht, muss dessen Aufbau und Begründung im Wesentlichen den Anforderungen genügen, die an ein Urteil zu stellen sind.
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht.
Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, ist der von der Amtsrichterin unterzeichnete Beschluß vom 15.08.2014 unwirksam.
Ein Beschluß nach § 72 OWiG entspricht hinsichtlich seines Entscheidungsinhalts und in Bezug auf die Anforderungen an seine Begründung einem Urteil in Strafsachen. Gemäß § 275 Abs. 3 StPO ist - auch wenn dies in der Vorschrift nicht ausdrücklich erwähnt ist - im Urteilskopf eines Strafurteils der Angeklagte zu bezeichnen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl., § 275 Rn. 24f). Die Vorschrift des § 275 StPO (mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3) gilt gemäß § 71 Abs. 1 OWiG auch für das gerichtliche Bußgeldverfahren (OLG Hamm Beschluß v. 10.07.2003 - 3 Ss OWi 1157/02). Auch im Rubrum eines Beschlusses nach § 72 OWiG sind daher der Betroffene und auch etwaige Nebenbeteiligte aufzuführen, da die Entscheidung gegen sie wirkt und dies für die Vollstreckung aus dem Titel erkennbar sein muss (Göhler, OWiG 15. Aufl. § 72 Rn. 49, OLG Hamm NStZ-RR 2004, 121).
Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Der von der Amtsrichterin unterschriebene Beschluss vom 15.08.2014 enthält kein Aktenzeichen und keine Angaben gegen wen er sich richtet (vgl. zum Umfang der Angaben: Engelhardt in KK, StPO 5 Aufl. § 275 Rn. 15). Die erforderliche Bezeichnung der Betroffenen konnte auch nicht durch die Angabe "In pp" ersetzt werden, da mangels Aktenzeichen auf dem Entwurf auch eine Zuordnung für die ausführende Geschäftsstelle nicht zwingend war. Es obliegt nicht der Geschäftsstelle die Betroffene zu bestimmen. Die Tatrichterin hat damit nur einen Beschlussentwurf erstellt. Der an die Verfahrensbeteiligten zugestellte Beschluss enthält zwar die fehlenden Angaben, ist aber zuvor nicht mehr von der Amtsrichterin unterschrieben worden. Anders als im Fall einer Urteilstenorierung in der Hauptverhandlung und fehlerhafter Unterschrift bei den Entscheidungsgründen, erfaßt bei einer Entscheidung im Beschlusswege die fehlende Unterschrift auch den Tenor, so dass das Amtsgericht vorliegend den Fall rechtlich noch nicht entschieden hat. Der Senat kann deswegen auch nicht durchentscheiden (vgl. Göhler aaO. § 79 Rn. 43 ff).
Die Verfolgungsverjährung tritt hier erst mit Ablauf des 13.02.2015 ein.
III.
Im Hinblick auf die Zurückverweisung zur Neuentscheidung und da das Verfahren eine Vielzahl von Probleme aufweist, mit der sich in letzter Zeit die Amtsgerichte konfrontiert sehen, sieht der Senat, wie von der Generalstaatsanwaltschaft angeregt, zu folgenden Hinweisen Veranlassung:
1. Das standardisierte Messverfahren
Bei einem Bußgeldverf...