Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des Rechtsanwalts in Markensachen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Markenstreitsachen sind für eine rechtsunkundige Partei grundsätzlich nicht so einfach gelagert, dass es ihr zugemutet werden könnte, ihren Prozessbevollmächtigten schriftlich oder fernmündlich zu informieren; zu den erstattungsfähigen Kosten gehören daher regelmäßig auch die Reisekosten des Anwalts zum Verhandlungstermin.

2. In dem in Ziffer 1. genannten Fall sind auch die Flugkosten für die Anreise des Anwalts zum Termin jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn diese Kosten die Kosten für eine Bahnreise erster Klasse unterschreiten; insbesondere kann der Anwalt nicht auf eine Anreise mit dem eigenen PKW verwiesen werden.

 

Normenkette

ZPO § 91

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 17.10.2019; Aktenzeichen 2-3 O 133/18)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Auf Antrag der Klägerin vom 26.06.2019 hat das Landgericht mit Beschluss vom 17.10.2019 die zu erstattenden Kosten festgesetzt. Es hat hierbei die Reisekosten des in Hamburg ansässigen Anwalts der ebenfalls in Hamburg ansässigen Partei in voller Höhe festgesetzt.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 05.11.2019, der das Landgericht mit Beschluss vom 20.11.2019 nicht abgeholfen hat. Der Beklagte ist der Auffassung, die Reisekosten des auswärtigen Anwalts seien nicht in voller Höhe ersatzfähig, da die Klägerin auch einen Anwalt im Gerichtsbezirk hätte beauftragen können. Zudem seien die Flugkosten nicht ersatzfähig, da auch ein Auto hätte benutzt werden können.

II. Die gemäß den §§ 104 III 1, 567 I, III Nr. 1, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg.

Nach der Grundregel des § 91 I ZPO sind nur die Kosten vom Gegner zu erstatten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Das sind solche Kosten, die eine verständige Prozesspartei als sachdienlich ansehen durfte. Dabei hat sie die Kosten so niedrig als möglich zu halten, solange sich dies mit der vollen Wahrung ihrer Rechte vereinbaren lässt. Dieses Gebot ergibt sich aus § 242 BGB (Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rdnr. 12 m. w. Nachw.). Unter mehreren gleichartigen Maßnahmen ist die kostengünstigste auszuwählen (BGH, BGH-Report 2008, 410, 411; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2009, 1422; OLG Frankfurt a. M., NJOZ 2008, 3358). Diesen Maßstäben ist die Klägerin gerecht geworden.

1.) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kosten, die durch die Beauftragung eines nicht im Gerichtsbezirk, sondern am Sitz der Klägerin in Hamburg ansässigen Rechtsanwalts entstanden sind, grundsätzlich in voller Höhe erstattungsfähig sind.

a) Reisekosten des Rechtsanwalts, der im Bezirk des Prozessgerichts ansässig ist, sind nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 S. 1 grundsätzlich zu erstatten. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung ist im Einzelfall erst dann zu prüfen, wenn der Anwalt weder im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist noch am Ort des Prozessgerichts wohnt. Erst für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten ab der Gerichtsbezirksgrenze des nicht im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts gelten im Zivilprozess der Notwendigkeitsgrundsatz gem. § 91 Abs. 1 S. 1 (Musielak/Voit/Flockenhaus Rnr. 19) und der Grundsatz typisierender Betrachtungsweise. Das grundsätzlich schützenswerte Recht auf einen Rechtsanwalt des persönlichen Vertrauens (BGH NJW-RR 2004, 858) ist dann abzuwägen mit dem Kostenschonungsgebot.

In mittlerweile gefestigter Rechtsprechung sind Reisekosten des am Wohn- oder Geschäftssitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu einem auswärtigen Gericht grundsätzlich erstattungsfähig (BGH NJW 2007, 2048, 2049). Diese Rechtsprechung findet ihre Rechtfertigung in erster Linie in der Überlegung, dass im Allgemeinen ein mündliches und persönliches Gespräch zwischen Partei und Rechtsanwalt erforderlich und gewünscht ist (BGH BeckRS 2011, 23916). Ein zu respektierendes Vertrauensverhältnis zwischen Partei und Rechtsanwalt wird dabei vermutet (BGH BeckRS 2011, 26904); für eine Überprüfung im Kostenfestsetzungsverfahren ist grundsätzlich kein Raum (BGH BeckRS 2017, 119430).

b) Dieser Grundsatz erfährt eine wichtige Einschränkung: Einer Partei kann es in eng begrenzten Ausnahmen zwecks Vermeidung von Reisekosten zumutbar sein, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der beim auswärtigen Prozessgericht zugelassen ist, und es bei seiner schriftlichen oder fernmündlichen Instruktion bewenden zu lassen. Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn schon im Zeitpunkt seiner Beauftragung feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch nicht erforderlich ist (BGH NJW 2006, 3008, 3009; OLG Jena Beschl. v. 17.12.2014 - 1 W 487/14). Hierbei ist der Partei im Kostenfestsetzungsverfahren ein großzügiger Einschätzungsspielraum zuzugestehen. Die Praxis hat vor allem zwei wichtige Fallgrup...

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