Normenkette
BGB §§ 1666, 1671
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Aktenzeichen 531 F 90/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die Personensorge für das Kind …, geb. am 14.1.1991, bleibt den Eltern vorläufig entzogen. Sie wird dem Jugendamt der Stadt … als Pfleger übertragen.
Die weiteren Anordnungen in dem angefochtenen Beschluss werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Beschwerdewert: 1.000 Euro.
Gründe
Das AG hat, nachdem beide Eltern wechselseitig gestellte Sorgerechtsanträge gem. § 1671 BGB zurückgenommen hatten, von Amts wegen ein Verfahren nach § 1666 BGB eingeleitet. Im Rahmen dieses Verfahrens hat es den Eltern die Personensorge für das Kind vorläufig entzogen und dem Jugendamt W. als Pfleger übertragen. Zugleich hat es den Eltern aufgegeben, auf Verlangen des Jugendamts das Kind an dieses herauszugeben und dabei das Jugendamt ermächtigt, bei der Herausnahme des Kindes Gewalt anzuwenden und die Unterstützung von Vollstreckungsbeamten in Anspruch zu nehmen.
Der Einzelrichter des Senats hat die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 568 ZPO dem Kollegium übertragen.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Rechtsgrundlage für die einstweilige Anordnung ist § 621g ZPO. Nach dieser Bestimmung kann in einem die elterliche Sorge betreffenden Verfahren das Gericht auf Antrag Regelungen im Wege der einstweiligen Anordnung treffen. Allerdings fallen unter den Wortlaut dieser Bestimmung nur einstweilige Anordnungen, die auf Antrag ergangen sind. Hier hat das AG von Amts wegen entschieden. Hieraus kann indessen nicht der Schluss gezogen werden, dass in Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge einstweilige Anordnungen nicht von Amts wegen erlassen werden könnten. Vor In-Kraft-Treten des § 621g ZPO war gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass in isolierten Sorgerechtsverfahren wie in anderen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit das Gericht von Amts wegen einstweilige Anordnungen erlassen kann, wenn ein entsprechendes Regelungsbedürfnis besteht. Diese einstweiligen Anordnungen waren nach § 19 FGG mit unbefristeter Beschwerde anfechtbar. Es ist auszuschließen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 621g ZPO diesen Rechtszustand dahin ändern wollte, dass er derartige einstweilige Anordnungen, die von Amts wegen ergehen, nicht mehr zulassen wollte, da ersichtlich nach wie vor für die Möglichkeit solcher einstweiligen Anordnungen von Amts wegen ein unabweisbares Bedürfnis besteht, wenn das Wohl von Kindern gefährdet ist.
Mit der Bejahung der Frage der Zulässigkeit einstweiliger Anordnungen von Amts wegen ist indessen die Frage noch nicht beantwortet, ob solche Anordnungen entspr. § 621g ZPO zu behandeln sind mit der Folge, dass die §§ 620a bis 620g ZPO entspr. gelten (sofortige Beschwerde nach § 620c ZPO, Einzelrichterprinzip) oder ob insoweit weiterhin sich das Beschwerdeverfahren nach § 19 FGG richtet (unbefristete Beschwerde, Kollegialprinzip). Nach Überzeugung des Senats ist von der entsprechenden Anwendung des § 621g ZPO auszugehen. Der Gesetzgeber wollte Verfahren hinsichtlich der einstweiligen Anordnungen in isolierten Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit den zivilprozessualen Vorschriften anpassen und damit einen Gleichlauf erreichen mit einstweiligen Anordnungen über diese Gegenstände bei Anhängigkeit eines Ehescheidungsverfahrens. Es macht keinen Sinn, einstweilige Anordnungen, die in solchen Verfahren von Amts wegen ergehen, hiervon auszunehmen. Dies gilt umso mehr, als in Verfahren, in denen einstweilige Anordnungen von Amts wegen ergehen können, solche Anordnungen auch auf Antrag möglich sind. So kann im Verfahren nach § 1666 BGB auch das Jugendamt entsprechende Anträge stellen. Für das weitere Verfahren kann es keinen Unterschied machen, ob eine einstweilige Anordnung in einem Hauptsacheverfahren mit gleichem Verfahrensgegenstand auf Antrag oder von Amts wegen ergangen ist. Daher folgt die Zulässigkeit der hier angefochtenen einstweiligen Anordnung aus § 621g ZPO mit der Folge, dass die §§ 620a bis 620g entspr. gelten (Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 621g Rz. 3). Die demnach einzuhaltende Beschwerdefrist von 2 Wochen (§ 620c ZPO) ist hier gewahrt.
Das weitere Zulässigkeitserfordernis für die Beschwerde, das zuvor mündlich verhandelt worden ist, ist ebenfalls erfüllt (§ 620c ZPO).
Die Beschwerde ist unbegründet, soweit der Beschwerdeführer den Wegfall des Entzugs der Personensorge angreift.
Da das Beschwerdegericht im Sorgerechtsverfahren die Entscheidung vorrangig am Kindeswohl auszurichten hat, ist es an Anträge nicht gebunden. Dies hat zur Folge, dass der angefochtene Beschluss auch insoweit zu überprüfen war, als es um die Entziehung der Personensorge der Kindesmutter ging, obwohl diese den Beschluss nicht angefochten hat.
Unter Anlegung des am Kindeswohl ausgerichteten umfassenden Prüfungsmaßstabs musste die Entziehung der Personens...