Entscheidungsstichwort (Thema)
Regulierungsfrist regelmäßig maximal 4 Wochen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Geschädigte kann nach Vorlage des Anspruchsschreibens erwarten, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung kurzfristig mitteilt, ob, inwieweit und wie lange eine Prüfung stattfindet.
2. Die Dauer der Prüffrist ist von der Lage des Einzelfalls abhängig, beträgt in der Regel aber maximal vier Wochen.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 18.10.2017; Aktenzeichen 4 O 71/17) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Darmstadt vom 18.10.2017 wie folgt abgeändert:
Von den Kosten des Rechtstreits und des Vergleichs tragen der Kläger 13% und die Beklagte 87%.
Die Streitwertfestsetzung bleibt bestehen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Gründe
I. Der Kläger erlitt am .../2016 einen Verkehrsunfall, für den die Beklagte in vollem Umfang einstandspflichtig ist. Er forderte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 9.12.2016 auf, den bereits vollständig einschließlich des Schmerzensgeldes bezifferten Schaden binnen 10 Tagen zu zahlen. Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht. Unter dem 9.1.2017 forderte der Klägervertreter die Beklagte erneut zur Zahlung auf und fragte unter dem 11.1.2017 nochmals telefonisch unter Hinweis auf die Einreichung der bereits vorbereiteten Klage bei der Beklagten nach, ohne allerdings eine sachgerechte Information über die Leistungsbereitschaft zu erhalten.
Deshalb reichte er am 12.1.2017 die Klage ein. Mit Schreiben vom 16.1.2017, beim Klägervertreter am 20.1.2017 eingegangen, regulierte die Beklagte die Ansprüche weitgehend, zog lediglich bei verschiedenen Schadenspositionen einzelne Beträge ab, und zahlte den Gesamtbetrag von 10.601,39 EUR vor Klagezustellung. An- und Abmeldekosten, die Unkostenpauschale und die medizinische Selbstbeteiligung zahlte sie auf gesonderte Aufforderung später. Insoweit wird, da dies für die Entscheidung der sofortigen Beschwerde nicht von Bedeutung ist, auf die Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Der Kläger hat hinsichtlich des gezahlten Betrags die Klage zurückgenommen und teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Parteien haben sich anschließend vor dem Landgericht gütlich geeinigt, die Kostenentscheidung allerdings der Entscheidung des Landgerichts vorbehalten.
Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss gemäß §§ 91a, 269 ZPO nach übereinstimmender Erledigungserklärung in der Hauptsache die Kosten weitgehend dem Kläger auferlegt und dazu ausgeführt, die Beklagte habe sich im Zeitpunkt der Zahlung noch nicht in Verzug befunden, da ihr eine Regulierungsfrist von 4-6 Wochen zustehe, die erst im Zeitpunkt der Zahlung abgelaufen gewesen sei.
Hinsichtlich der noch streitigen Punkte ist das Landgericht unangegriffen davon ausgegangen, dass das Ergebnis mangels Beweisaufnahme noch offen sei und deshalb die Chancen beider Seiten gleich hoch zu gewichten seien.
Die sofortige Beschwerde des Klägers richtet sich im Wesentlichen gegen die Ansicht des Landgerichts, die Beklagte habe keinen Anlass zur Klage gegeben.
II. Die sofortige Beschwerde ist weitgehend begründet; die Kostenentscheidung des Landgerichts war mithin gemäß den §§ 269, 91a ZPO insoweit abzuändern, als das Landgericht dem Kläger hinsichtlich des von der Beklagten unter dem 20.1.2017 gezahlten Betrags die Kosten gemäß § 269 ZPO auferlegt hat.
Ein Beklagter gibt iSd § 269 Abs. 3 ZPO Anlass zur Klagerhebung, wenn er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders als durch eine Klage nicht zu seinem Recht kommen. Von einer Klageveranlassung seitens der Versicherung kann grundsätzlich dann ausgegangen werden, wenn sich die Versicherung zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage in Verzug befindet.
Die Frage, wann sich die Versicherung mit der Zahlung in Verzug befindet, richtet sich nach § 286 BGB . § 286 I 1 BGB regelt: "Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug." Schuldner ist aufgrund des Direktanspruches nach § 115 VVG neben dem Schädiger auch die Versicherung.
Da gem. § 271 BGB eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, kann der Unfallgeschädigte die Leistung sofort verlangen. Dies gilt zumindest dann, wenn er seinen Schaden ordnungsgemäß spezifiziert und in nachprüfbarer Form belegt hat.
Durch eine Schadensaufstellung mit der Aufforderung, den bezifferten Schaden bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu zahlen, gerät die Versicherung nach Ablauf der gesetzten Frist allerdings - unabhängig von deren Länge - nicht automatisch in Verzug. Die bloße Aufforderung, die Ansprüche bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu regulieren, stellt keine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB dar, sondern begründet zunächst nur die Fälligkeit der Forderung. Es wird durch eine Fristsetzung im Anspruchsschreiben kein...