Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Für ein Entziehen der durch § 124 I StPO gleichermaßen gesicherten Vollstreckung einer rechtskräftigen Verurteilung reicht bloßer Ungehorsam, namentlich die Nichtbefolgung der Ladung zum Strafantritt, nicht aus. Vielmehr ist erforderlich, dass sich der Verurteilte durch Flucht, durch Sich-Verborgen-Halten oder durch Täuschungsmanöver (Senat NStZ-RR 2001, 381; OLG Düsseldorf NJW 1978, 1932) der Verfügungsgewalt der Vollstreckungsbehörde, wenn auch nur vorübergehend, in der Weise entzieht, dass notwendige Verfahrensakte nicht ungehindert, notfalls durch seine zwangsweise Gestellung, durchgeführt werden können.

  • 2.

    Zur Flucht oder zum Sich-Verborgen-Halten reicht zwar aus, dass sich der Betroffene ohne Hinterlassung einer Anschrift ins Ausland absetzt. Die bloße Vorbereitung und der bloße Versuch, sich ins Ausland ohne Hinterlassung einer Anschrift zu begeben, reichen hingegen nicht aus. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein derartiges Verhalten des Verurteilten die Verhaftung mit sich anschließender Auslieferungs- und nachfolgender Strafhaft geradezu herbeigeführt hat.

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Aktenzeichen 4503 Js 5527.5/96-52 Ls-Ns)

 

Tenor

  • 1.

    Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der Antrag der Staatsanwaltschaft, die auf Grund des Haftverschonungsbeschlusses des Amtsgerichts Hanau vom 15.07.1996 in der Fassung des Beschlusses vom 04.12.1996 gestellte Sicherheit zu Gunsten der Staatskasse für verfallen zu erklären, wird zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten und der Verfahrensbeteiligten fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

Mit Beschluss vom 15.07.1996 verschonte das Amtsgericht Hanau den zwischenzeitlich Verurteilten vom weiteren Vollzug der am 08.07.1996 angeordneten Untersuchungshaft u.a. gegen Gestellung einer Sicherheit in Höhe von 2 Millionen Deutsche Mark, wobei ihm gestattet wurde, die Sicherheit in Form der Bestellung zweier Grundschulden an zwei Grundstücken der Verfahrensbeteiligten zu erbringen. Diese hatte bereits zuvor zwei in Sch. und H. belegene Grundstücke mit Grundschulden in Höhe von jeweils 1 Million DM belastet und diese Grundpfandrechte an das Land Hessen abgetreten. Mit Beschluss vom 04.12.1996 wurde die am Grundstück in H. bestellte Sicherheit vom Amtsgericht freigegeben.

Am 04.03.1997 wurde der Verurteilte wegen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung und wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Nach Rechtskraft des Urteils und erfolgter Inhaftierung des Verurteilten beantragte die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Hanau, die Sicherheit für verfallen zu erklären, weil sich der Verurteilte zumindest zeitweise der Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils entzogen habe.

Nachdem das Landgericht Hanau mit Beschluss vom 12.09.2000 den Verfall ausgesprochen hatte, dieser Beschluss jedoch durch den Senat am 15.11.2000 wegen fehlender Beteiligung der Sicherungsgeberin am Verfahren aufgehoben und die Sache an die Strafkammer zurückverwiesen worden war, hat die Kammer nach erfolgter Anhörung der Sicherungsgeberin erneut mit dem angefochtenen Beschluss die gestellte Sicherheit, soweit sie nicht freigegeben worden ist, zu Gunsten der Staatskasse für verfallen erklärt. Hiergegen richten sich die form- und fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden der Verfahrensbeteiligten und des Verurteilten. Über diese konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sämtliche Verfahrens beteiligten auf deren Durchführung verzichtet haben (vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 124 Rn. 10).

Die Rechtsmittel erweisen sich als begründet. Die Voraussetzungen des Verfalls der Sicherheit gem. § 124 Abs. 1 StPO liegen nicht vor.

Allerdings scheitert die Verfallsanordnung - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer - nicht bereits daran, dass die Sicherheit gem. § 123 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO freigeworden wäre. Zwar hatte sich durch die am 02.10.1998 (Rücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft) eingetretene Rechtskraft des verurteilenden Erkenntnisses des Amtsgerichts Hanau vom 04.03.1997 der Haftbefehl vom 15.07.1996 (in seiner letzten Fassung v. 23.04.1997) erledigt (vgl. Boujong, KK-StPO, 4. Aufl., § 120 Rn. 22; Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 123 Rn. 6 - jew. m.w.N.). Aus der klaren und unzweideutigen Regelung des § 123 Abs. 1 Nr. 2 StPO folgt indes, dass hierdurch eine Aufhebung der nach § 116 StPO angeordneten Maßnahmen und damit ein Freiwerden der Sicherheit (§ 123 Abs. 2 StPO) nicht veranlasst ist. Vielmehr bleibt die Sicherheit nach ganz herrschender Meinung, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. z.B. Beschl. v. 31.07.1996 - 3 Ws 775/96), isoliert bestehen (Meyer-Goßner, § 123 Rn. 4; Boujong, § 123 Rn. 3; Hilger, § 123 Rn. 6f.; OLG Karlsruhe MDR 1980, 598; NStZ 1992, 204 - jew. m.w.N.). Die Maßnahmen, insbeso...

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