Leitsatz (amtlich)
1. Das Gebot, die Bieter gleich zu behandeln (§ 97 Abs. 2 GWB), verpflichtet den öffentlichen Auftraggeber, solche Angebote, die vergaberechtlich an demselben (gleichartigen) Mangel leiden, auch gleich zu behandeln, das heißt, aus dem übereinstimmend vorliegenden Mangel jener Angebote vergaberechtlich dieselben Konsequenzen zu ziehen. Hieraus ist zu folgern, dass unter dem Gebot der Gleichbehandlung nicht das Angebot eines Bieters ausgeschlossen werden darf, zugleich aber der Auftrag auf ein Angebot erteilt werden soll, das an demselben oder einem gleichartigen Mangel leidet.
2. Zur Frage, was unter einem gleichartigen Mangel im Sinne dieser Rechtsprechung zu verstehen ist.
Normenkette
GWB § 97
Verfahrensgang
Vergabekammer des Landes Hessen (Aktenzeichen 69d VK-65/2005) |
Gründe
I. Die Antragsgegnerin schrieb unter dem 20.4.2005 die Beschaffung von 1400 Stück universeller Einsatzanzüge, zweiteilig mit dem Rückenschild "...", Damen- und Herrenausführung, Ausschreibungsnummer ..., u.a. im Bundesausschreibungsblatt aus. Die Antragstellerin gab hierauf ein Angebot vom 16.6.2005 ab, das einen Nettobetrag von 241.129 EUR umfasste.
Mit Schreiben vom 27.7.2005, das der Antragstellerin per Fax zugeleitet wurde, teilte die Antragsgegnerin mit, sie beabsichtige, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen. In diesem Schreiben heißt es weiter, das Angebot der Antragstellerin sei nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 Buchstabe a) i.V.m. § 23 Nr. 2 VOL/A auszuschließen gewesen, weil nicht die gemäß Veröffentlichung unter III. 2.1. sowie in den Ausschreibungsunterlagen zwingend vorgeschriebenen Protokolle und Prüfungsnachweise beigefügt gewesen seien. Bei den fehlenden Unterlagen habe es sich insb. um den Nachweis der gemäß Punkt 2.2.15 der TLP 34-7.022 geforderten UV-Prüfung und die Prüfprotokolle des verwendeten stahlblauen Materials gehandelt. Außerdem bezögen sich die der Ausschreibung beigefügten Prüfprotokolle lediglich auf ein moosgrünes Material und Prüfprotokolle/Musterproben für das permanent schwer entflammbare Flauschband für den Außenbereich am Einsatzanzug (Punkt 2.2.13 der TLP - universeller Einsatzanzug) seien ebenfalls nicht vorhanden gewesen.
Darüber hinaus wurde das Fehlen des geforderten Pflegeheftes mit Infodaten für den Träger beanstandet.
Mit Schriftsatz vom 9.8.2005 rügte die Antragstellerin dieses Vorgehen der Vergabestelle und leitete noch am gleichen Tag durch Absendung per Post und per Telefax ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Hessen ein.
Diese verlängerte mit Fax vom 12.9.2005 wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten die Beschlussfrist bis zum 1.11.2005 und beraumte einen Termin zur mündlichen Verhandlung für den 29.9.2005 an.
Zwar wurde dieser Termin zur mündlichen Verhandlung durchgeführt, gleichwohl ist die verlängerte Beschlussfrist ohne eine Entscheidung der Vergabekammer abgelaufen.
Die Antragstellerin hat deshalb unter dem 11.11.2005 sofortige Beschwerde eingelegt und zugleich einen Antrag gem. § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB gestellt.
Mit Beschluss vom 6.3.2006 hatte der Senat die aufschiebende Wirkung endgültig verlängert.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, antragsbefugt zu sein, auch wenn ihrem Angebot der Zuschlag "wohl" zu versagen gewesen sei. Da jedoch das einzig verbliebene Angebot der Beigeladenen, der der Zuschlag erteilt werden solle, an den gleichen und an weiteren, zumindest vergleichbaren, Mängeln leide, habe auch dieses Angebot ausgeschlossen werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, ergebe sich daraus ein maßgeblicher Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz; sie - die Antragstellerin - habe bei Aufhebung der Ausschreibung und Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens die Chance, nunmehr ein zuschlagsfähiges Angebot abzugeben.
Darüber hinaus habe sie unverzüglich nach Bekanntwerden des Ausschlusses eine Rüge erhoben und im Übrigen habe erst das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 27.7.2005 Anlass zu umfangreichen Recherchen und einer darauf gestützten Rechtsberatung gegeben. Da die Antragsgegnerin ohnehin zu erkennen gegeben habe, die Rüge nicht ernst nehmen zu wollen und weitere Verstöße nur hätten vermutet werden können, sei die Rügeverpflichtung ausreichend eingehalten worden.
Ihr Nachprüfungsantrag sei auch begründet gewesen, weil das Ausschreibungsverfahren bereits daran leide, dass die Ausschreibungskriterien und die Anforderungen an das zu verwendende Gewebe für die fraglichen Anzüge so gewählt worden seien, dass auf den ersten Blick eine produktneutrale Ausschreibung vorliege, die allen Bietern gleiche Chancen biete, bei genauer Betrachtung jedoch nur Bieter berücksichtige, die ein aus der Faser "Material 1" hergestelltes Gewebe anböten, mithin die Beigeladene. Die von der Antragsgegnerin sehr detailliert vorgenommene Beschreibung der Zusammensetzung des Spinnstoffes sei nicht erforderlich gewesen, weil es ausreichend gewesen sei, die verlangten Eigenschaften des Gewebes genau zu beschreiben. Die geforderte Farbe "Stahlblau" sei bei "Na...