Leitsatz (amtlich)
Kindliche Zeugen sind über ihre Erziehungsberechtigte zu laden. Zeugen, die mindestens 14 Jahre alt sind, können unmittelbar geladen werden.
Verfahrensgang
LG Kassel (Verfügung vom 07.01.2005; Aktenzeichen 4630 Js 7955/04 - 4 Ns) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Dies folgt zwar nicht aus § 305 S. 1 StPO, weil der Beschwerdeführer als "Dritter" i.S. des § 305 S. 2 StPO, nämlich als Erziehungsberechtigter seiner Tochter geltend macht, von der Ladungsverfügung betroffen zu sein. Ob er durch diese Maßnahme auch in eigenen Rechten verletzt werden konnte, kann dahinstehen.
Die Ladungsverfügung ist jedenfalls prozessual überholt, weil der Hauptverhandlungstermin, zu dem die Ladung erfolgte, zwischenzeitlich durchgeführt und Ladung zu diesem Termin durch die Zeugin Folge geleistet wurde (wenn sie auch nicht einvernommen worden ist). Die erst nach Erledigung der Ladung eingelegte Beschwerde ist unzulässig, da das Rechtsmittel nur der Beseitigung einer noch gegenwärtigen Beschwer dient (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., vor § 296 Rn 17 mwN).
Auch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der erfolgten Ladung kann die Beschwerde nicht gerichtet werden, weil es an einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff (zu diesem Erfordernis vgl. BVerfG E 96, 27; NJW 1998, 2131; NJW 1999, 273; StV 1999, 295; Meyer-Goßner, vor § 296 Rn 18a) fehlt. Die Verfahrensweise - unmittelbare Ladung der Zeugin, ohne Einschaltung ihres Erziehungsberechtigten - ist vielmehr prozessordnungsgemäß erfolgt. Der Kammervorsitzende ist zutreffend davon ausgegangen, dass lediglich kindliche Zeugin über ihre Erziehungsberechtigten zu laden sind (vgl. OLG Hamm, NJW 1965, 1613). Bei minderjährigen Zeugen, welche - wie die Tochter des Beschwerdeführers - mindestens 14 Jahre alt sind, ist hingegen davon auszugehen, dass sie auf Grund ihres Alters in der Lage sind, Rechte und Pflichten eines Zeugen selbst wahrzunehmen(h.M. vgl. Meyer-Goßner, § 48 Rn 7; Rogall, in: SK-StPO, § 48 Rn 27; Tolksdorf, in: KK-StPO, 5. Aufl., § -214 Rn 3; Schwenckendieck, NStZ 1990, 170 171 - jew. mwN; a.A. Senge, in: KK-StPO § 48 Rn 6). Hiervon geht nämlich der Gesetzgeber auch bei minderjährigen Angeklagten bezüglich deren Rechte und Pflichten aus; § 17O I ZPO ist im Strafverfahrensrecht nicht anwendbar (wohl allgem. Meinung vgl. nur Tolksdorf, § 214 Rn 3; § 216 Rn 3; Meyer-Goßner, § 37 Rn 3; ausführlich Schwenckendieck aaO). Es bleibt der Zeugin indes unbenommen, gem. § 406f III StPO zu beantragen, die Anwesenheit ihres Vaters bei ihrer (zukünftigen) Vernehmung zu gestatten, wie dies (stillschweigend) bereits bei ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht erfolgt ist. Hingegen ist ihre Einvernahme nicht vom "Einverständnis" des Beschwerdeführers abhängig.
Fundstellen
Haufe-Index 2573381 |
NJW 2005, 2873 |
NStZ-RR 2005, 268 |
KammerForum 2005, 274 |
ZIS 2006, 46 |