Leitsatz (amtlich)
›1. Zuwiderhandlung gegen unzulässige Weisungen rechtfertigen auch dann einen Widerruf nicht, wenn sich der Verurteilte - wie hier- nicht auf die Unzulässigkeit beruft.
2. Bewährungsanweisungen müssen klar, bestimmt und in ihrer Einhaltung überprüfbar sein, ansonsten sind sie unzulässig.
3. Das Gericht darf sich nicht darauf beschränken, nur die Art der abzuleistenden Therapie (ambulant oder stationär) und deren Beginn festzulegen. Vielmehr bedarf es zumindest hinsichtlich der Bestimmung der Einrichtung, in der die Therapie zu absolvieren ist, sowie der Art und Häufigkeit der wahrzunehmenden Termine einer näheren Ausgestaltung der Weisung durch das Gericht. Eine ohne diese Konkretisierung erteilte Weisung genügt dem Bestimmtheitserfordernis nicht.
4. Nach dem Regelungsgehalt des § 453 I 3 StPO ist die mündliche Anhörung entgegen dem Wortlaut der Bestimmung nicht zwingend, wenn sie weitere Aufklärung verspricht und schwerwiegende Gründe nicht entgegenstehen. Ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift durch das erstinstanzliche Gericht zwingt zur Aufhebung dessen Widerrufsentscheidung und zu Zurückweisung der Sache. Hieraus folgt, dass erst Recht nicht erstmals in der Beschwerdeinstanz auf § 56f I Nr.2 StGB als Widerrufsgrund rekurriert werden darf, wenn der Verurteilte von der Strafvollstreckungskammer zu den diesen Widerrufsgrund ausfüllenden Tatsachen nicht gehört wurde, eine Anhörung aber zur Sachaufklärung erforderlich ist.‹
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 04.02.2002; Aktenzeichen StVK 1540/02) |
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die dem Verurteilten durch Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.12.2001 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung wegen Weisungsverstoßes (§ 56f l 1 Nr. 2 StGB) widerrufen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten, die auch in der Sache Erfolg hat.
Auf § 56f l 1 Nr. 2 StGB, also auf einen Verstoß gegen die erteilte Weisung, "binnen 2 Monaten seit Rechtskraft des Urteils eine ambulante Drogentherapie aufzunehmen und diese bis zum Abschluss erfolgreich durchzuführen...", kann der Widerruf nicht gestützt werden.
Zuwiderhandlung gegen unzulässige Weisungen rechtfertigen auch dann einen Widerruf nicht (vgl. OLG München, NStZ 1985, 411), wenn sich der Verurteilte -wie hier- nicht auf die Unzulässigkeit beruft (vgl. OLG Karlsruhe, Justiz 1984, 427; zum Ganzen: Senatsbeschl. v. 8.2.2002-3 Ws 172/02; v.2.7.1996 - 3 Ws 552/96 und v. 27.5.2001 - 3 Ws 531/01 jew. m.w.Nachw.). Die mit Beschluss vom 18.12.2001 erteilte Therapieweisung entspricht nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz und ist deshalb unzulässig.
Bewährungsweisungen müssen klar, bestimmt und in ihrer Einhaltung überprüfbar sein. Nur so können Verstöße einwandfrei festgestellt werden und weiß der Verurteilte unmissverständlich, wann ihm der Widerruf der Strafaussetzung droht. Die überragende Bedeutung des in Art. 2 II 2 GG geschützten Freiheitsgrundrechtes, in das durch den Bewährungswiderruf und die damit verbundene Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe eingegriffen wird, und die Tatsache, dass die Verfassung die Entziehung der Freiheit dem Richter vorbehält (Art. 104 II GG), haben den Gesetzgeber veranlasst, die inhaltliche, dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechende Ausgestaltung von Auflagen und Weisungen ausschließlich dem Gericht zu übertragen (§§ 56 b, 56 c StGB; vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl. § 56 d Rdnr. 4). Deshalb darf sich nach st. Rspr. des Senats (Beschl. v. 15.4.2003-3 Ws 438/03: v. 10.1.2003 - 3 Ws 26/03; v. 27.5.2001 -3 Ws 531701; v. 3.5. 2001 -3 Ws 135 u. 242/01, v. 27.7. 1998-3 Ws 473/98 v. 2.7.1996 - 3 Ws 552/96 und v. 28.11.1996- 3 Ws 972/96) das Gericht nicht - wie vorliegend - darauf beschränken, nur die Art der abzuleistenden Therapie (ambulant oder stationär) und deren Beginn festzulegen. Vielmehr hätte es zumindest hinsichtlich der Bestimmung der Einrichtung, in der die ambulante Therapie zu absolvieren ist, sowie der Art und Häufigkeit der wahrzunehmenden Termine einer näherer Ausgestaltung der Weisung durch das Gericht bedurft (vgl. OLG Frankfurt a. a. O.). Dies hat das Amtsgericht verabsäumt. Es hat die inhaltliche Konkretisierung, welche in der Hauptverhandlung sicherlich auf Schwierigkeiten stößt, ebenso wenig später nachgeholt (§ 56 e StGB) wie die Strafvollstreckungskammer nach Übernahme der Bewährungsaufsicht aufgrund des Zuständigkeitsübergangs auf sie, wobei ohne Belang ist, ob die Gerichte insoweit ein Verschulden trifft.
Gleichermaßen wurde verabsäumt, den Verurteilten auch ihm vorliegenden Verfahren (wie in StVK 844/98) der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu unterstellen, so dass hier ein Widerruf nicht damit begründet werden kann, der Verurteilte habe sich beharrlich dessen Aufsicht und Leitung entzogen.
Auf § 56 f l Nr. 1 StGB kann der Widerruf nach dem derzeitigen Aktenstand ebenfalls nicht gestützt werden. Zwar ist der Verurteilte d...