Leitsatz (amtlich)
Als Unterbrechung der Vollstreckung i. S. des § 462 a I 2 StPO gilt auch derjenige Zeitraum, in welchem im Wiederaufnahmeverfahren infolge der Anordnung der Erneuerung der Hauptverhandlung gem. § 370 II StPO bis zur Bestätigung des früheren Urteils durch das auf Grund neuer Hauptverhandlung ergangene Urteil die Vollstreckung wegen Vorliegens eines Vollstreckungshindernisses zu unterbleiben hatte.
Verfahrensgang
LG Kassel (Entscheidung vom 30.08.2004; Aktenzeichen 333/265 Js 43716/99 - 3 KLs) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Kassel den Antrag des Verurteilten auf Aussetzung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Kassel vom 27.6.2002 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten. Sie hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Für diese war nicht die Strafkammer, sondern die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel zuständig. Die Strafvollstreckungskammer hat gegenüber dem erkennenden Gericht - abgesehen vom Fall des § 462 a Abs. 5 S. 1 StPO - stets den Vorrang, sobald eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird (st. Rechtsprechung des Senats z. B. Beschluss vom 26.8.1999 - 3 Ws 773/99 -; Beschluss vom 17.1.2000 - 3 Ws 60/00 -; BGH NStZ 2000, 111; BGH St 30, 192/98). Der Verurteilte befand sich vor Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens nach seiner Festnahme am 2.6.1999 zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem - mit der Wiederaufnahme angegriffenen - Urteil des Landgerichts Darmstadt ebenfalls vom 2.6.1999 ab dessen Rechtskraft am 9.10.1999 in Strafhaft, zunächst in O1 und O2, ab dem 11.12.2000 in der sozialtherapeutischen Anstalt der JVA O3, bis die Strafkammer durch Beschluss vom 18.2.2002 die Unterbrechung der Strafvollstreckung gemäß § 360 Abs. 2 StPO und die Erneuerung der Hauptverhandlung gemäß § 370 Abs. 2 StPO anordnete und er an dem Tag in der Sache (tatsächlich am ....2.1999) entlassen wurde. Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 25.7.2001 wurde ein Antrag auf Halbstrafenentlassung bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel gestellt, den diese mit Beschluss vom 6.3.2002 im Hinblick darauf, dass die Strafe "gemäß § 360 Abs. 2 StPO" derzeit nicht vollstreckt werde, zurückwies. Mit der Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt - hier durch Übergang der Untersuchungshaft in Strafhaft mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils - wurde die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer (vgl. BGH NStZ 2000, 111) mit dem "Befaßtsein" mit der Entscheidung über den Antrag auf Reststrafenaussetzung die örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel begründet. Bei dieser einmal begründeten Zuständigkeit ist es nach der Entlassung des Verurteilten mit Beschluss des Landgerichts Kassel vom 18.2.2002 geblieben (§ 462 a Abs. 1 S. 2 StPO). Die Vorschrift erweitert die einmal begründete Zuständigkeit auf alle Nachtragsentscheidungen, die einen nach Unterbrechung der Vollstreckung oder nach Aussetzung des Strafrestes auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten betreffen (KK- Fischer, StPO, § 462 a Rdnr. 12). Die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer geht auch bei längerfristiger Vollstreckungsunterbrechung nicht auf das Gericht des ersten Rechtszuges über, sondern endet grundsätzlich erst mit der endgültigen Erledigung der Vollstreckung (vgl. OLG Stuttgart, NStZ-RR 1996, 61). Unter "Unterbrechung" fällt unter anderem auch das Entweichen aus dem Vollzug, die Abschiebung eines ausländischen Verurteilten in sein Heimatland und das Absehen von der Vollstreckung gemäß § 456 a StPO (vgl. BGH NStZ 2000, 111; GA 1984, 513; KK-Fischer, a. a. O. § 462 a Rdnr. 12 ), weil in solchen Fällen die Strafvollstreckung nicht erledigt, sondern fortzusetzen bzw. bei Rückkehr des Verurteilten nachzuholen und die für die Zuständigkeitsregelung maßgebliche Interessenlage die gleiche ist wie in den Fällen der Unterbrechung oder Aussetzung der Vollstreckung, für die § 462 Abs. 1 S. 2 StPO den Fortbestand der gemäß Satz 1 begründeten Zuständigkeit vorsieht (BGH NStZ 2000, 111; GA 1984, 513). Demgemäss unterfällt auch der vorliegende Fall der Regelung des § 462 a Abs. 1 Ziff. 2 StPO. Vorliegend galt die mit Beschluss vom 2.6.1999 gemäß § 360 Abs. 2 StPO angeordnete Unterbrechung der Vollstreckung des Urteils vom 2.6.1999 bis zum Eintritt der Rechtskraft der gleichzeitig angeordneten Erneuerung der Hauptverhandlung gemäß § 370 Abs. 2 StPO und wurde damit gegenstandslos (vgl. z. B. Löwe- Rosenberg-Gössel, StPO, § 360 Rdnr. 6). Der Beschluss gemäß § 370 Abs. 2 StPO entfaltete alsdann aufschiebende Wirkung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 360 Rdnr. 1). Durch ihn wurde die bisherige Rechtskraft unterbrochen, die eine Vo...