Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit für die Rückforderung geleisteter Mietzinszahlungen wegen insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rückforderung geleisteter Mietzinszahlungen wegen insolvenzrechtlicher Anfechtbarkeit betrifft keine (miet-)vertraglichen Ansprüche, sondern Ansprüche aus einem gesetzlichen Rechtsverhältnis, auf das § 29a ZPO keine Anwendung findet.
2. Ein Verweisungsbeschluss hat ausnahmsweise keine Bindungswirkung, wenn sich das verweisende Gericht weder mit der von den Parteien vorgetragenen Rechtsauffassung noch mit den von ihnen hierzu zitierten Belegen aus Rechtsprechung und Schrifttum auseinandersetzt.
Normenkette
InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1, § 143; ZPO §§ 29a, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Zuständig ist das AG Friedberg/H.
Gründe
I. Der Kläger macht mit der vor dem AG Friedberg/H. erhobenen Klage als Insolvenzverwalter Anfechtungsansprüche nach den §§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 143 InsO geltend.
Der Beklagte, der seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des AG Friedberg/H. hat, vermietete an den Insolvenzschuldner eine Wohnung in Stadt1. Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten - nach Auffassung des Klägers in anfechtbarer Weise erlangte - Mietzahlungen zurück.
Mit Verfügung vom 21.5.2012 hat das AG Friedberg/H. die Parteien darauf hingewiesen, dass es sich um eine Rechtstreitigkeit aus einem Wohnraummietverhältnis handele und das AG Hannover gem. § 4 InsO i.V.m. § 29a ZPO ausschließlich zuständig sei.
Sowohl der Beklagtenvertreter wie der Kläger haben mit Schriftsätzen vom 12.6.2012 (Bl. 68, 73 d.A.) und vom 13.6.2012 (Bl. 98 f. d.A.) ausgeführt, dass sie diese Ansicht nicht teilen, sondern das AG Friedberg/H. für örtlich zuständig halten.
Mit Beschluss vom 10.8.2012 hat sich das AG Friedberg/H. für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag des Klägers an das gem. § 4 InsO i.V.m. § 29a ZPO ausschließlich zuständige AG Hannover verwiesen (Bl. 128 d.A.). Zur näheren Begründung hat es ausgeführt, dass der Streit über die Rückgewähr der vom Schuldner geleisteten Miete nach § 143 Abs. 1 InsO auf die Rückabwicklung der mietvertraglichen Rechtsbeziehungen gerichtet sei und der in Rede stehende Lebensvorgang so eng mit dem Wohnraummietverhältnis verknüpft sei, dass es geboten erscheine, die Entscheidung hierüber dem nach § 29a ZPO ausschließlich zuständigen AG vor Ort zuzuweisen. Die Bedeutung der materiellen Anspruchsgrundlage habe gegenüber der engen Verknüpfung mit dem Wohnraummietrecht zurückzustehen.
Mit Beschluss vom 30.10.2012 hat sich das AG Hannover nach Anhörung der Parteien ebenfalls für unzuständig erklärt und die Sache dem OLG Frankfurt zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vorgelegt (Bl. 138 d.A.). Es hat gemeint, die Anfechtungsklage tangiere das Mietverhältnis nicht und gehöre allein zu denjenigen Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und mit ihm in engem Zusammenhang stehen.
Die Parteivertreter gehen weiterhin übereinstimmend von der Zuständigkeit des AG Friedberg/H. aus.
II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das gem. § 36 Abs. 2 ZPO zuständige OLG Frankfurt liegen vor.
1. Sowohl das AG Friedberg/H. als auch das AG Hannover haben sich durch unanfechtbare Beschlüsse für örtlich unzuständig erklärt. Ungeachtet einer Bindungswirkung i.S.v. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO sind diese Beschlüsse grundsätzlich unanfechtbar und daher rechtskräftig i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 36 Rz. 24). Sie bilden die verfahrensrechtliche Grundlage für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts (BayObLG NJW-RR 1991, 187). Die Rechtshängigkeit ist spätestens mit der Abgabe der Sache an das Prozessgericht eingetreten (BGH, NJW 2009, 1213).
2. Zuständig ist das AG Friedberg/H..
Bei der Klage handelt es sich nicht um eine Streitigkeit aus einem Mietverhältnis i.S.v. § 29a ZPO. Der hier streitgegenständliche Anspruch wegen Insolvenzanfechtung beruht auf einem durch Anfechtung begründeten zivilrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis eigener Art. (Schmittmann/Zeeck in: Haarmeyer/Wutzke/Förster, § 143 InsO Rz. 10; Kirchhof in MünchKomm InsO, 2. Aufl., § 143 Rz. 9 und vor §§ 129 bis 147 Rz. 35; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 143 Rz. 63 ff., 69; Kreft, 6. Aufl., § 129 InsO Rz. 101; Hamburger Kommentar/Rogge/Leptien, InsO, 4. Aufl., § 143 Rz. 111). Es handelt sich daher weder um einen Anspruch aus einem Wohnraummietverhältnis, noch ist die Nähe zu dem in Rede stehenden Lebensvorgang so eng mit dem Wohnraummietverhältnis verknüpft, dass sich daraus die Anwendbarkeit des § 29a ZPO rechtfertigen würde. Für die Anfechtungsklage ist regelmäßig das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der jeweilige Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand oder Aufenthaltsort hat. Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) ist sogar dann nicht anwendbar, wenn ein Vertragsschluss oder eine V...