Leitsatz (amtlich)
Zieht das Jugendamt zur Vertretung in Kindschaftssachen einen Rechtsanwalt hinzu, gelten die dadurch verursachten Kosten nur dann als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, wenn neben der pädagogisch fachlichen Einschätzung eine besondere rechtliche Ebene zu bearbeiten ist. Im Lichte des § 50 SGB VIII ist die Beauftragung eines Rechtsanwaltes durch das Jugendamt im Sinne des § 80 FamFG nur notwendig, wenn das Verfahren in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ganz besonders schwierig ist.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadt1 vom 18.2.2020 dahingehend abgeändert, dass der Kostenfestsetzungsantrag des Jugendamtes zurückgewiesen wird.
Das Jugendamt der Stadt1 hat die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 693,53 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Erstattungsfähigkeit der Gebühren eines Rechtsanwalts, den das Jugendamt in einem vorausgegangenen sorgerechtlichen Beschwerdeverfahren beauftragt hatte.
Bei dem zu Grunde liegenden Verfahren handelt es sich um eine Kindschaftssache, in dem die Kindesmutter die Rückübertragung der ihr gemäß § 1666 BGB entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge für ihr Kind A, geboren am XX.XX.2012, beantragt hatte. Zur Vorgeschichte ist auszuführen, dass die Eltern des Kindes nicht miteinander verheiratet sind und sich kurz nach der Geburt des Kindes getrennt hatten. Aufgrund einer Sorgeerklärung gemäß § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB übten sie das Sorgerecht für ihren Sohn gemeinsam aus. Die Kindesmutter war selbst unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen. Wegen akuten Belastungsreaktionen bei emotional instabiler Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Essstörung ließ sich die Kindesmutter von 2009 bis 2013 insgesamt fünfmal stationär im B-Krankenhaus in Stadt1 behandeln. Bei einem dieser Aufenthalte lernte die Kindesmutter den Kindesvater kennen, der damals Drogen konsumiert hatte.
Wenige Wochen nach seiner Geburt war A vom Jugendamt in Obhut genommen worden, nachdem die Kindesmutter ihren Sohn trotz einer stationären Mutter-Kind-Maßnahme nicht versorgen konnte. Unter dem Aktenzeichen ... wurde daraufhin beim Amtsgericht Stadt1 ein familiengerichtliches Verfahren wegen der Gefährdung des Wohles von A durchgeführt. In diesem Verfahren wurden der Kindesmutter mit Beschluss vom 16.5.2014 gemäß § 1666 Abs. 1 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung für A entzogen mit der Folge, dass die der Kindesmutter entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge bis heute vom Kindesvater allein ausgeübt werden. Diesen Beschluss hat die Kindesmutter nicht angegriffen.
Bis heute lebt A von seinen Eltern getrennt. Der Kindesvater kennt seinen Sohn zwar kaum, ist aber mit der Fremdunterbringung ausdrücklich einverstanden. Er arbeitet mit dem Jugendamt zusammen und leistet die für das Wohl von A erforderlichen Unterschriften.
Aufgrund des vorgenannten Beschlusses veranlasste das Jugendamt, dass A am XX.XX.2014 von der Bereitschaftspflegefamilie C in die familienintegrative Hilfe des Kinderheimes D wechselte, so dass er seither bei Familie E lebte. Nach anfänglichen Entwicklungsfortschritten zeigte A dort jedoch immer öfter extreme Verhaltensauffälligkeiten, indem er phasenweise in die Babysprache regredierte und motorische Störungen hatte. Besonders nach Besuchskontakten mit seiner Mutter reagierte A mit Einnässen, Urinieren in Zimmerecken, Einkoten, Kot an die Wände Schmieren und Regelmissachtungen und zeigte mehr und mehr Aggressionen auch gegen andere Kinder. Zeitweise rastete er aus und schrie bis zu 20 Minuten. Ende ... 2018 erklärte sich die Familie E außer Stande, sich weiter um A kümmern zu können. A wurde daraufhin am XX.XX.2018 vom Jugendamt in Obhut genommen und vorläufig im F Stadt1 untergebracht. A wurde vorübergehend wieder von der Bereitschaftspflegefamilie C aufgenommen. Von dort aus wechselte A am XX.XX.2019 in das Kinderheim "G" in Stadt2.
Die negativen Entwicklungen in der Pflegefamilie E veranlassten die Kindesmutter, im ... 2018 die Rückführung ihres Sohnes in ihre Obhut anzustreben. Hierzu leitete sie beim Amtsgericht Stadt1 unter dem Aktenzeichen ... ein Verfahren ein, in dem sie die Aufhebung des Beschlusses vom 16.5.2014 und die Rückübertragung der ihr entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge für A beantragte. Hierbei verwies sie unter anderem auf die gute Entwicklung ihrer am XX.XX.2014 geborenen Tochter H, die von Herrn I abstammt. Bis zum 1.12.2017 hatten Mutter und Tochter mit Unterstützung des Jugendamtes eine stationäre Mutter-Kind-Maßnahme im Haus "J" in Stadt3 absolviert. Seit der regulären Beendigung dieser Maßnahme im Dezember 2017 leben Mutter und Tochter in einer 3-Zimmer-Wohnung in Stadt1, wo sie von einer sozialpädagogischen Familienhilfe unterstützt werden.
Das im erstinstan...