Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert für Unterlassungsanspruch eines Verbraucherschutzverbandes gegen unzureichende Widerrufsbelehrung
Leitsatz (amtlich)
Die ständige Rechtsprechung des Senats, wonach Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern wegen fehlender oder unzureichender Widerrufsbelehrung im Rahmen der Streitwertfestsetzung regelmäßig sehr gering zu bewerten sind, lässt sich auf vergleichbare Unterlassungsansprüche von Verbraucherschutzverbänden nicht übertragen; das Interesse dieser Verbände an der gerichtlichen Durchsetzung solcher Ansprüche ist höher zu bewerten als das Interesse einzelner Mitbewerber (Fortführung der Senatsrechtsprechung; vgl. Beschl. v. 4.8.2011 - 6 W 70/11).
Normenkette
ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 26.08.2011; Aktenzeichen 3-8 O 112/11) |
Tenor
Der Beschluss des LG vom 26.8.2011 wird abgeändert.
Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Dem Beschwerdeverfahren liegt ein Eilantrag des antragstellenden Verbraucherschutzvereins zugrunde, mit dem dieser der Antragsgegnerin die Verwendung unzulässiger Widerrufs- und Rückgabebelehrungen vorwirft und sich gegen deren Regelung der Gewährleistung im Fernabsatzhandel wendet. Den Streitwert für das Eilverfahren hat der Antragsteller in der Antragsschrift mit 15.000 EUR angegeben und dazu weiter vorgetragen, er halte in der Hauptsache einen Gegenstandswert von 30.000 EUR für angemessen. Das LG hat dem Eilantrag in der Sache entsprochen und den Streitwert mit dem Zusatz "Hauptsachestreitwert 10.000 EUR" für das Eilverfahren auf 7.000 EUR festgesetzt. Dagegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers aus eigenem Recht.
II. Die Beschwerde ist nach § 23 Abs. 2 RVG als eigenes Rechtsmittel der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zulässig. Denn der Prozessbevollmächtigte ist - anders als die von ihm vertretene Partei, die in dem Rechtsstreit obsiegt und deshalb keine Kosten zu tragen hat - von der Festsetzung des Streitwerts betroffen.
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Der Senat hat zwar wiederholt entschieden, dass der Streitwert für Unterlassungsansprüche von Mitbewerbern gegen die Verwendung fehlerhafter Widerrufsbelehrungen regelmäßig sehr gering zu bemessen ist, weil die Interessenlage des Mitbewerbers durch einen solchen Wettbewerbsverstoß nur mittelbar berührt wird (vgl. Senat, Beschl. v. 12.11.2009 - 6 W 164/09; OLGR 2006, 976; jeweils m.w.N.). Diese Erwägungen lassen sich jedoch auf die Bewertung des Unterlassungsinteresses von Verbraucherschutzverbänden nicht übertragen. Denn wie der Senat in den genannten Entscheidungen ebenfalls ausgeführt hat, besteht zum Schutze der Verbraucher durchaus ein erhebliches Allgemeininteresse daran, dass die Käufer über das ihnen zustehende Widerrufsrecht zutreffend informiert werden.
Da der Antragsteller als Verbraucherschutzverband die Aufgabe hat, diese Belange zu vertreten, ist auch sein Interesse an der gerichtlichen Durchsetzung höher zu bewerten als das Interesse einzelner Mitbewerber (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 4.8.2011 - 6 W 70/11).
Da sich der Antragsteller sowohl gegen falsche Belehrungen zum Rückgabe- und Widerrufsrecht als auch gegen eine Einschränkung der Gewährleistung wendet, erscheint der mit der Antragsschrift vorgeschlagene Streitwert auch im Hinblick auf den potentiellen Angriffsfaktor nicht übersetzt. Dem steht der Vortrag der Antragsgegnerin, sie habe zu keinem Zeitpunkt Waren über das Internet vertrieben, nicht entgegen. Denn wie sie selbst einräumt, bestanden zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ihrer Geschäftsbedingungen im Internet zumindest Planungen, einen Online-Versandhandel zu betreiben.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO ist im Streitwertbeschwerdeverfahren kein Raum, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG)
Fundstellen
Haufe-Index 2847475 |
MDR 2012, 185 |
GRUR-Prax 2012, 47 |
GRUR-RR 2012, 95 |