Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschvergütung nach § 51 RVG

 

Normenkette

RVG § 51

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Entscheidung vom 27.07.2020; Aktenzeichen 2 KLs - 3 Js 7309/18)

 

Tenor

Der Antrag vom 15. Juni 2022 auf Bewilligung einer Pauschvergütung wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte wurde mit Urteil des Landgerichts Limburg vom 27. Juli 2020 rechtskräftig wegen bandenmäßiger öffentlicher Zugänglichmachung kinderpornographischer Schriften in 4 Fällen, Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in 3 Fällen, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht und mit Herstellung kinderpornographischer Schriften in 7 Fällen, Herstellung kinderpornographischer Schriften und der Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit Besitzverschaffung kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 6 Monaten sowie Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verurteilt.

Der Antragsteller begründet seinen Antrag vom 15. Juni 2022, eine Pauschvergütung in Höhe der doppelten Wahlverteidiger-Höchstgebühr zu erhalten, damit, dass es sich um einen der spektakulärsten Prozesse im Zusammenhang mit Kinderpornographie im Darknet gehandelt habe und der Aktenumfang und der Inhalt der Beweismittel unbeschreiblich gewesen sei. Die Anklage habe 154 Seiten umfasst, vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Limburg sei an 18 Hauptverhandlungstagen verhandelt worden.

Die Bezirksrevisorin hat mit Zuschrift vom 22. November 2022 zu dem Antrag Stellung genommen und beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

An den Antragsteller wurde bereits eine Pflichtverteidigervergütung in Höhe von € 13.453,07 ausgekehrt.

II.

Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung (§ 51 RVG) ist zurückzuweisen.

Voraussetzung für die Bewilligung einer Pauschvergütung ist nach dem Gesetzeswortlaut, dass die gesetzlichen Gebühren unzumutbar sind. Damit soll verhindert werden, dass der Pflichtverteidiger ein Sonderopfer erbringt. Zur Stellung des Pflichtverteidigers hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 6. November 1984 - 2 BvL 16/83 u.a. ausgeführt:

„Die Bestellung zum Pflichtverteidiger ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken (vgl. BVerfGE 39, 238 (241)). Sinn der Pflichtverteidigung ist es nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Vielmehr besteht ihr Zweck ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfGE a.a.O. S. 242; vgl. auch BGHSt 3, 395 (398)). Der vom Gerichtsvorsitzenden ausgewählte und beigeordnete Rechtsanwalt darf die Übernahme der Verteidigung nicht ohne wichtigen Grund ablehnen (§ 49 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 BRAO), sondern muss - gegebenenfalls unter Hintansetzung anderer beruflicher Interessen - die ihm übertragene Verteidigung führen. Ein Widerruf der Bestellung des Pflichtverteidigers ist ebenfalls nur aus wichtigem Grund zulässig (vgl. BVerfGE a.a.O. S. 244 m. w. N.). Im Gegensatz zum gewählten Verteidiger, der seine Aufgaben in der Hauptverhandlung im Falle kurzfristiger Verhinderung durch sonstige Geschäfte von einem anderen Verteidiger wahrnehmen lassen kann (vgl. BGHSt 15, 306 (308)), hat der Pflichtverteidiger stets und ununterbrochen an der Verhandlung teilzunehmen. Er darf zu seiner Entlastung weder Untervollmacht erteilen (vgl. BGH, Strafverteidiger 1981, S. 393) noch einem Referendar Verteidigerfunktionen übertragen (vgl. § 139 StPO; BGH, NJW 1958, S. 1308 f.). Im Übrigen weist die Strafprozessordnung dem Pflichtverteidiger die gleichen Aufgaben zu wie dem Wahlverteidiger. Wie dieser hat er auch die gleichen standesrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Angesichts dieser umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für Aufgaben, deren ordentliche Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, hat der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht des Anwaltsstandes angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers aus § 97 BRAGO liegt indessen erheblich unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers. Diese Begrenzung ist durch einen vom Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist. In Strafsachen besonderen Umfangs, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, ohne dass er sich dieser Belastung entziehen könnte, gewinnt die Höhe des Entgelts für ihn existenzielle Bedeutung. Eine Verteidigung zu den ...

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