Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert des Beweissicherungsverfahren für Zugewinnausgleichsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert für ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren, das im Vorfeld eines Zugewinnausgleichsverfahrens eingeleitet wird, orientiert sich in der Regel am Streitwert des güterechtlichen Verfahrens.
Normenkette
ZPO § 485
Verfahrensgang
AG Marburg (Beschluss vom 07.09.2022; Aktenzeichen 72 FH 2/22 BW) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Gegenstandswert für das Beweissicherungsverfahren in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Marburg vom 7. September 2022 auf 63.272 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat am 22. Februar 2022 einen Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens zur Beweissicherung beim Amtsgericht Marburg gestellt. Zu begutachten sei der aktuelle Wert der Immobilie Straße1 in Stadt2 bei Stadt1. Zur Begründung führte die Antragstellerin aus, sie sei Alleineigentümerin dieser noch nicht fertiggestellten Immobilie und lebe getrennt von ihrem Ehemann. Das Scheidungsverfahren sei beim Amtsgericht - Familiengericht - Marburg rechtshängig. Ihr Ehemann werde aller Wahrscheinlichkeit nach Zugewinnausgleich von ihr fordern. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Bauarbeiten an der Immobilie bestünde ein Anlass, ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren durchzuführen, weil der stetige Baufortschritt den wahren, zum Stichtag für den Zugewinnausgleich erkenntlichen Wert verschleiern könne. Deswegen sei es notwendig, den Wert der Immobilie im Rohbauzustand feststellen zu lassen, obgleich aktuell noch kein Zugewinnausgleichsverfahren anhängig sei.
In der Folgezeit ist ein Sachverständiger mit der Durchführung der Begutachtung beauftragt worden. Mit dem am 12. Juli 2022 übersandten schriftlichen Gutachten stellte der Sachverständige der Wert der Immobilie zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit 255.000 EUR fest, den Wert der - künftig - fertiggestellten Immobilie gab er im Wege der Prognose mit rund 711.000 EUR an.
Verfahrensabschließend hat das Amtsgericht den Wert des Beweissicherungsverfahrens auf 255.000 EUR festgesetzt. Gegen diesen ihr am 12. September 2022 zugegangenen Streitwertbeschluss wendet sich die Antragstellerin mit der am 27. Oktober 2022 eingelegten Streitwertbeschwerde.
Die Antragstellerin macht geltend, der Wert für das Beweissicherungsverfahren sei nicht mit dem festgestellten Wert der Immobilie identisch. Diese Immobilie sei nicht der potentielle Streitgegenstand des Hauptsacheverfahrens, für das sie eine Beweissicherung gem. § 485 ZPO beantragt habe. Stattdessen sei von dem Wert auszugehen, der als Hauptsache-Streitwert in einem etwaigen Zugewinnausgleichsverfahren geltend gemacht werden könne. Aus dem Beweissicherungsantrag sei eindeutig hervorgegangen, dass die Beweissicherung zum Zweck der Abwehr etwaiger Ansprüche im Rahmen eines Zugewinnausgleichsverfahrens angestoßen worden sei. Damit sei als Gegenstandswert der Wert des - künftigen - Zugewinnausgleichsverfahrens anzunehmen. Der Wert einer Immobilie könne auch dann, wenn die Immobilie einziger Streitpunkt sei, niemals den Wert eines Zugewinnausgleichsverfahrens allein bestimmen. Denn mehr als den hälftigen Wert der Immobilie könne der Antragsgegner im Zugewinnausgleichsverfahren nicht verlangen. Auch deswegen sei die Festsetzung des Gegenstandswerts in Anlehnung an den Wert der Immobilie nicht sachgerecht.
Das Amtsgericht hat der Streitwertbeschwerde am 10. Januar 2023 nicht abgeholfen und den Vorgang dem Senat vorgelegt. Am 13. Januar 2023 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Argumentation der Antragstellerin folgend der potentielle Wert eines Zugewinnausgleichs maßgeblich sein dürfte, vor diesem Hintergrund wurde angefragt, ob die Beteiligten zum Wert der Immobilie unterschiedliche Vorstellungen kommuniziert hatten.
Die Antragstellerin hat sodann mitgeteilt, dass es unterschiedliche, direkt auf die Immobilie bezogene Vorstellungen zum Zeitpunkt der Einleitung des Beweisverfahrens nicht gegeben habe. Im Hinblick auf eine mögliche Zugewinnausgleichsforderung sei allerdings korrespondiert worden. Zunächst habe der Antragsgegner einen Ausgleich in Höhe von 30.000 EUR bis 40.000 EUR gefordert, später 73.000 EUR und noch später 93.000 EUR. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner bei diesen Forderungen regelmäßig auch eine Abfindung auf den - dem Grunde nach zu seinen Gunsten durchzuführenden - Versorgungsausgleich und seine Unterhaltsansprüche geltend gemacht habe. Deswegen beträfen sämtliche Forderungen nicht nur den Zugewinn, sondern auch die anderen Folgesachen. Mittlerweile fordert der Antragsgegner - nach Scheitern der Vergleichsbemühungen zu den Scheidungsfolgesachen - einen Zugewinnausgleich in Höhe von 63.272,79 EUR von der Antragstellerin.
Der Antragsgegner ist der Festsetzung...