Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Naturalunterhalt für Kinder bei Berechnung von Ehegattenunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt ist der Naturalunterhalt, den ein betreuender Elternteil aus eigenen Einkünften für die gemeinsamen, bei ihm lebenden Kinder aufbringt, vor der Berechnung der Unterhaltsquote von seinem bereinigten Nettoeinkommen in Abzug zu bringen. Die Höhe der Abzugsposition ergibt sich rechnerisch aus der Differenz zwischen dem aus den beiderseitigen Einkünften ermittelten Barbedarf der Kinder einerseits und dem vom barunterhaltspflichtigen Elternteil aufgebrachten Unterhalt andererseits.
Normenkette
BGB §§ 1578, 1606 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Kirchhain (Beschluss vom 30.04.2021) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kirchhain vom 30.4.2021 dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner über die bereits erfolgten Titulierungen durch Teilanerkenntnisbeschluss vom 11.4.2014 hinaus und unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge der Antragstellerin verpflichtet wird, an die Antragstellerin hinsichtlich des abgetretenen Unterhaltsanspruchs betreffend die Tochter A für die Zeit von Februar 2013 bis Januar 2016 einen Betrag von 2.920,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2016 zu zahlen, hinsichtlich des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs betreffend den Sohn B für denselben Zeitraum einen Betrag von 1.806,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2016 und für die Antragstellerin rückständigen Trennungsunterhalt in Höhe von 10.232,00 EUR.
Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird verworfen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nach einem Gegenstandswert von 33.519 EUR werden zu 25 % der Antragstellerin und zu 75 % dem Antragsgegner auferlegt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 24.655,00 EUR haben die Antragstellerin zu 15 % und der Antragsgegner zu 85 % zu tragen.
Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird angeordnet.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner, beide Jahrgang 1969, haben einander am XX.XX.2006 geheiratet. Aus ihrer Ehe sind die Kinder A, geboren am XX.XX.2002, und B, geboren am XX.XX.2005, hervorgegangen. Seit spätestens Dezember 2012 leben die Eheleute voneinander getrennt, wobei die Kinder zunächst im mütterlichen Haushalt blieben. Das Scheidungsverfahren ist seit Oktober 2013 vor dem Familiengericht Kirchhain (Az.: ...) rechtshängig, ruht aber derzeit faktisch, weil der Antragsgegner im Rahmen der Folgesache Zugewinnausgleich bis heute trotz Titulierung die geschuldete Auskunft noch nicht erteilt hat.
In dem vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin, die als Beruf1 tätig ist, den Antragsgegner, der eine Landwirtschaft betreibt, mit Antragsschrift vom 29.10.2013 auf Zahlung von Kindes- und Trennungsunterhalt in Anspruch genommen.
Die Beteiligten haben u. a. über die Höhe der beiderseitigen Einkünfte, den Ansatz eines PKW-Nutzungs- und eines Wohnvorteils (bei einem der Höhe nach unstreitig gestellten Wohnwert von mtl. 500,00 EUR) auf Seiten des Antragsgegners, die Höhe verschiedener Abzugsposten sowie die wechselseitigen Anteile an der Betreuung der Kinder gestritten.
Im Termin vom 11.4.2014 hat der Antragsgegner die Unterhaltsansprüche für die Zeit ab Februar 2013 in Höhe von mtl. je 291,00 EUR Regelbedarf und 37,00 EUR Mehrbedarf für die Kinder und mtl. 163,00 EUR Trennungsunterhalt anerkannt, so dass ein entsprechender Teilanerkenntnisbeschluss erging. Hiergegen legte der Antragsgegner Beschwerde ein mit der Begründung, dass auf Grund zwischenzeitlich bekannt gewordener Rechtsprechungsänderung (Beschluss des BGH vom 12.3.2014, Az.: XII ZB 234/13) weitere Abzüge beim Kindesunterhalt gerechtfertigt seien, da er im Rahmen des erweiterten Umgangs und weil die Antragstellerin den Kindern nahezu ausschließlich gebrauchte Kleidung kaufe, erhebliche Leistungen erbringe, die anzurechnen seien; außerdem sei die Antragstellerin angesichts des Alters der Kinder nunmehr ohnehin gehalten, mehr als nur halbschichtig zu arbeiten und hätten sich seine Einkünfte aus der Landwirtschaft im Jahr 2012 weiter reduziert. Die Antragstellerin trat dem u. a. mit der Behauptung entgegen, dass insbesondere der gemeinsame Sohn therapiebedürftig sei. Der Senat hat die Beschwerde mit Beschluss vom 22.10.2014 (Az.: ...) mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine ausnahmsweise mögliche Anfechtung des Anerkenntnisbeschlusses ausscheide, weil eine Rechtsprechungsänderung nicht vorliege, das Vorbringen des Antragsgegners unsubstantiiert sei und auch sonstige Abänderungsgründe nicht vorlägen.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben zu der Frage, "welche finanziellen Mittel und welche wirtschaftlichen Vorteile" dem Antragsgegner von Januar 2013 bis Juni 2016 "zum Lebensunterhalt zur ...