Leitsatz (amtlich)

Eine zur Haftverschonung geleistete Sicherheit wird nicht bereits dadurch frei, dass die Voraussetzungen des Haftbefehls nicht mehr vorliegen, sondern erst durch dessen formelle Aufhebung.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 5/17 KLs 88 Js 39083. 2/96)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten und des Rechtsanwaltes H. verworfen.

 

Gründe

Am 7. 11. 1996 ist gegen den Angeklagten Haftbefehl durch das Amtsgericht München ergangen, der mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 2. 6. 1997 erweitert wurde. Am 13. 3. 1997 hat das Amtsgericht Frankfurt am Main den Angeklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10. 000, 00 DM und Meldeauflage von der Haft verschont. Die Sicherheit hat Rechtsanwalt H. als Verteidiger im eigenen Namen erbracht.

Der Angeklagte ist zu den Hauptverhandlungsterminen am 13. und 22. 10. 1999, zu denen er ordnungsgemäß geladen war, nicht erschienen. Der Verteidiger hat ein in bulgarischer Sprache abgefasstes ärztliches Attest vorgelegt und vorgetragen, dass nach dem Inhalt der in Bulgarien aufhältige Angeklagte reise- und verhandlungsunfähig sei. Mit Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. 10. 1999 ist Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO ergangen. Mit Beschluss vom 30. 12. 1999 hat das Landgericht die Sicherheit für verfallen erklärt und den erweiterten Haftbefehl des Amtsgerichts München aufgehoben. Das Landgericht hat den Inhalt des Attestes, in dem nur von "psychischen Problemen" die Rede sei, nicht als ausreichende Entschuldigung angesehen. Am 10. 5. 2000 hat der Senat (3 Ws 830/00) die Verfallentscheidung wegen unterbliebener Anhörung nach § 124 Abs. 2 Satz 1 StPO aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Landgericht zurück verwiesen. Am 14. 2. 2001 hat das Landgericht erneut mit gleichbleibender Begründung den Verfall der Sicherheit beschlossen, ohne über die Kosten des Rechtsmittels zu befinden. Gegen diese, dem Verteidiger am 28. 2. 2001 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 6. 3. 2001, eingegangene sofortige Beschwerde des Angeklagten und seines Verteidigers. Letzterer hat für sich und für seinen Mandanten erklärt, auf eine mündliche Anhörung zu verzichten; ein entsprechender Verzicht liegt auch seitens der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vor.

Die nach § 124 Abs. 2 Satz 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig aber unbegründet. Die gestellte Sicherheit ist nach § 124 Abs. 1 Satz 1 StPO der Staatskasse verfallen, weil sich der Angeklagte der Untersuchung entzogen hat. Dies geschah bereits zu einem Zeitpunkt, an dem der Haftbefehl des Amtsgerichts München in der erweiterten Fassung des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 2. 6. 1997 noch inKraft war. Durch die Aufhebung des Haftbefehls mit Beschluss vom 30. 12. 1999 ist die Sicherheitsleistung nicht gemäß § 123 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 StPO frei geworden, denn sie war - was ausreicht - bereits durch ein vor diesem Zeitpunkt liegendes Verhalten verfallen (vgl. Senat, NJW 1977, 1975, 1976; Beschluss vom 27, 1. 1997 - 3 Ws 73/97).

Ein Sich-Entziehen liegt objektiv vor, wenn der Angeklagte aufgrund. seines Verhaltens zumindest zeitweise für die erforderlichen gerichtlichen Verfahrensakte nicht zur Verfügung steht (Kleinknecht / Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 124 Rdnr. 4 m. w. N. ). Subjektiv muss er diesen Erfolg beabsichtigen oder zumindest bewusst in Kauf nehmen und billigen, dass er dadurch den Fortgang des Verfahrens behindert (vgl. Senat in NJW 1977, 1975ff; OLG Düsseldorf, NStZ 1990, 97; OLG Karlsruhe, MDR 1985, 694). Bloße unterlassene Mitwirkung am Strafverfahren, der bloße Ungehorsam des Angeklagten und der Verstoß gegen Haftverschonungsauflagen reichen hingegen für eine Verfallsanordnung nicht aus Der Angeklagte muss sich vielmehr durch Flucht, durch Sich-Verborgen-Halten oder durch Täuschungsmanöver (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1978, 1932) der Verfügungsgewalt des Richters, wenn auch nur vorübergehend, in der Weise entzogen haben, dass notwendige Verfahrensakte nicht jederzeit ungehindert, notfalls durch seine zwangsweise Gestellung, durchgeführt werden konnten (vgl. Senat a. a. O. ; OLG Karlsruhe, NStZ 1992, 204).

Objektiv hat sich der Angeklagte dem weiteren Verfahren entzogen, indem er ausweislich der Mitteilung seines Verteidigers kurz nach Erfüllung der Meldeauflage am1. 10. 1999 nach Bulgarien gefahren und nicht zu den angesetzten Hauptverhandlungsterminen erschienen ist. Auch das subjektive Erfordernis ist erfüllt. Der Angeklagte ist nämlich - entgegen seiner durch - den Verteidiger vorgebrachten Darstellung - nicht reise - und verhandlungsunfähig erkrankt, sodass aus dem Fernbleiben von der Hauptverhandlung auf - einen zumindest bedingten Vorsatz zur Behinderung des Verfahrensfortgangs geschlossen werden muss. Dies gilt um so mehr, als er - jedenfalls für diemit der Untersuchung betrauten Organe - nach wie vor unbekannten Aufenthaltes i...

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