Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung der Pfandfreigabeerklärung als Löschungsbewilligung
Leitsatz (amtlich)
1. Trotz des materiell-rechtlich unterschiedlichen Inhalts der Erklärungen des Gläubigers und der unterschiedlichen Folgen zwischen der Aufhebung und dem Verzicht des Gläubigers bei Grundpfandrechten kann im Einzelfall bei einer sukzessiven Löschung von Gesamtgrundpfandrechten (beispielsweise im Zusammenhang mit der Aufteilung in Eigentumswohnungen) für die Löschung der letzten Einheit eine Pfandfreigabeerklärung genügen; es bedarf dann nicht zusätzlich noch einer ausdrücklichen Löschungsbewilligung des Grundpfandrechtsgläubigers. Die Pfandfreigabeerklärung kann dann zumindest als Löschungsbewilligung ausgelegt werden.
2. Die nachträgliche Veränderung des Textes einer Urkunde, deren Unterzeichnung notariell beglaubigt ist, beseitigt nicht die Formwirksamkeit der Beglaubigung. Denn der Beglaubigungsvermerk bescheinigt nur die Echtheit der Unterschrift, sagt aber nichts über den Inhalt der schriftlich abgefassten Erklärung aus.
Normenkette
BGB §§ 1175, 1192; GBO § 29
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag vom 29.01.2016 nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.
Gründe
I. Im oben aufgeführten Teileigentumsgrundbuch ist die Beteiligte zu 1. in Abt. I, lfd. Nr. 1, als Eigentümerin des dort verzeichneten 10/1.000-Miteigentumsanteils an dem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an einem PKW-Stellplatz in der Tiefgarage, eingetragen. Zugunsten der Beteiligten zu 1. und 2. ist in Abt. II, lfd. Nr. 1, seit 23.12.2015 eine Eigentumsübertragungsvormerkung eingetragen. In Abt. III, lfd. Nr. 2, ist seit dem 01.11.1999 eine Grundschuld ohne Brief zu 1.000.000,- DM für die Bank1, Zweigniederlassung Stadt1, eingetragen. In Abt. III, lfd. Nr. 3, ist ebenfalls seit dem 01.11.1999 eine weitere Grundschuld ohne Brief zu 4.600.000,- DM für die Bank1, Zweigniederlassung Stadt1, eingetragen. In beiden Eintragungen ist vermerkt, dass Mithaft in den Blättern ... bis ... besteht. Wegen der Einzelheiten des Grundbuchstands wird auf den sich in den Grundakten befindlichen Grundbuchauszug verwiesen.
Mit Schreiben vom 29.01.2016 (Bl. 7/1 d. A.) hat der inzwischen aus dem Dienst ausgeschiedene Notar unter anderem eine Ausfertigung seiner Kaufvertragsurkunde vom 02.12.2015, UR-Nr. ... (Bl. 7/2 ff. d. A.), beim Grundbuchamt eingereicht und unter Bezugnahme auf die in der Urkunde enthaltenen Anträge die sich aus dem Schreiben ersichtlichen Eintragungsanträge gestellt. In Ziffer II. 4. der Kaufvertragsurkunde hatten die Vertragsbeteiligten, die hiesigen Beteiligten zu 1. bis 3., die Löschung der Lasten in Abt. III, lfd. Nrn. 2 und 3, bewilligt und beantragt. Weiter beigefügt war eine als "Pfandentlassung" bezeichnete Erklärung der Bank2 - der hiesigen Beteiligten zu 4. - vom 17.12.2015 (Bl. 7/8 ff. d. A.). Darin wird Bezug genommen auf die in Abt. III, lfd. Nrn. 2 und 3, eingetragenen Gesamtbuchgrundschulden. Die Bank2 entlässt ausweislich der Urkunde hinsichtlich des bezeichneten Grundstücks das im Bestandsverzeichnis des hiesigen Grundbuchs verzeichnete Eigentum aus der Pfandhaft und bewilligt die Eintragung der Pfandentlassung in das Grundbuch. Die unter der Erklärung abgegebenen zwei Unterschriften der Mitarbeiter der Bank2 sind am 18.12.2015 durch den Notar A, Stadt2, zu dessen UR-Nr. ... öffentlich beglaubigt worden. Wegen der Einzelheiten der genannten Urkunden wird auf den Inhalt der Grundakte verwiesen.
Durch Verfügung vom 16.03.2016 (Bl. 7/5 d. A.) hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass zur Löschung der Rechte in Abt. III, lfd. Nrn. 2 und 3, eine Löschungsbewilligung der Gläubigerin in der Form des § 29 GBO vorzulegen sei. Da keine Mithaft in einem anderen Grundbuchblatt mehr bestehe, sei eine Pfandentlassungserklärung zur Löschung nicht ausreichend.
In der Folge hat der Notar mit Schreiben vom 14.04.2016 die Pfandentlassungsurkunde vom Grundbuchamt zurückgefordert, damit die Bank2 den Antrag ergänze. Nachdem das Grundbuchamt dem nachgekommen war, hat er sodann die Urkunde im Original wieder beim Grundbuchamt eingereicht, die sich nunmehr auf Bl. 7/41 ff. d. A. befindet und auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Darin sind in der Erklärung der Bank2 inhaltliche Änderungen dahingehend vorgenommen worden, dass sie nunmehr mit "Pfandentlassung/Löschungsbewilligung" überschrieben ist und die Löschung der bezeichneten Rechte bewilligt wird. Die handschriftlichen Änderungen sind jeweils mit Änderungsvermerken versehen und mit Unterschriften versehen, die den am 18.12.2015 beglaubigten Unterschriften gleichen.
Nach weiterem Schriftwechsel mit dem Grundbuchamt, ausweislich dessen der Notar unter anderem auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 08.03.2006, 20 W 21/05, verwiesen hatte, hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 7/21 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, ...