Leitsatz (amtlich)
1. Die Anfechtung der Ablehnung der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung ist analog § 707 II ZPO ausgeschlossen.
2. Zur Fortdauer der Überrumpelung bei einem Abstand von über acht Wochen zwischen Haustürsituation und angefochtenem Vertragsschluss.
3. Zur Frage, ob eine Ehefrau, die gemeinsam mit ihrem Ehemann einen Darlehensvertrag zum Erwerb eines Familienanwesen unterschreibt, als Mitdarlehensnehmerin oder lediglich als Mithaftende anzusehen ist.
Normenkette
BGB § 138; HwiG § 1; ZPO § 707 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 13.07.2006; Aktenzeichen 2-21 O 183/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen die Beschlüsse des LG Frankfurt/M. vom 13.7.2006 wird hinsichtlich der Anfechtung der Ablehnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung verworfen, im Übrigen zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, soweit das Rechtsmittel verworfen wurde.
Gründe
1. Soweit sich die Antragsteller gegen den Beschluss des LG wenden, mit dem die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen wird, ist die Anfechtung analog § 707 Abs. 2 Nr. 2 ZPO von vornherein ausgeschlossen (vgl. Zöller/Herget ZPO, 25. Aufl., § 770 Rz. 1).
2. Die nach § 127 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat das Prozesskostenhilfegesuch nach § 114 ZPO zu Recht zurückgewiesen, da die angestrebte Vollstreckungsgegenklage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
a) Die Antragsteller können sich nicht auf ein Recht zum Widerruf des Darlehensgeschäfts nach dem HWiG berufen.
Zum einen kann - auch nach dem Vorbringen der Antragsteller in der Beschwerdeinstanz - weiterhin nicht vom Vorliegen einer Haustürsituation ausgegangen werden, schon gar nicht in Bezug auf die Antragstellerin zu 1). Zum anderen wäre eine Haustürsituation - sollte sie überhaupt vorgelegen haben - für den Abschluss des Darlehensvertrages jedenfalls nicht mehr ursächlich gewesen. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG besteht nur, wenn er durch mündliche Verhandlungen in einer Haustürsituation zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war (BGH v. 20.1.2004 - XI ZR 460/02, BGHReport 2004, 595 m. Anm. Assies = MDR 2004, 582; Urt. v. 8.6.2004 - XI ZR 167/02, MDR 2004, 1367 = BGHReport 2004, 1429; Urt. v. 9.5.2006 - XI ZR 119/05, BGHReport 2006, 1184 = MDR 2006, 1060). Die Willenserklärung des Verbrauchers muss im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation veranlasst worden sein. Auch wenn dabei eine Mitverursachung genügt, so ist doch erforderlich, dass der Vertrag ohne die Überrumpelung nicht oder zumindest nicht so zustande gekommen wäre. Ist die Vertragserklärung nicht unmittelbar in der Haustürsituation, sondern zeitlich danach abgegeben worden, muss im Einzelfall geprüft werden, ob das durch die Verhandlungen in der Privatwohnung geschaffene Überraschungsmoment noch fortgewirkt hat. Dazu ist enger zeitlicher Zusammenhang nicht unbedingt erforderlich (BGH v. 26.10.1993 - XI ZR 42/93, MDR 1994, 248; Urt. v. 16.1.1996 - XI ZR 116/95, MDR 1996, 456; Urt. v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, MDR 2003, 1190 = BGHReport 2003, 961). Liegt er vor, so ist auf das Fortwirken zwingend zu schließen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand aber nimmt die Indizwirkung ab und entfällt schließlich ganz (BGH, Urt. v. 21.1.2003 - XI ZR 125/02, MDR 2003, 466 = BGHReport 2003, 388; Urt. v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, MDR 2003, 1190 = BGHReport 2003, 961; Urt. v. 22.10.2003 - IV ZR 398/02, BGHReport 2004, 106 = MDR 2004, 221; Urt. v. 9.5.2006 - XI ZR 119/05, BGHReport 2006, 1184 = MDR 2006, 1060). In diesen Fällen kann auf die Kausalität der Überrumpelung nur noch durch Würdigung aller Umstände im Einzelfall geschlossen werden. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles, die jeweils dem Tatrichter obliegt und die in der Revision nur beschränkt überprüft werden kann (BGH, Urt. v. 21.1.2003 - XI ZR 125/02, MDR 2003, 466 = BGHReport 2003, 388; Urt. v. 18.3.2003 - XI ZR 188/02, MDR 2003, 819 = BGHReport 2003, 747; BGH v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, MDR 2003, 1190 = BGHReport 2003, 961; Urt. v. 22.10.2003 - IV ZR 398/02, BGHReport 2004, 106 = MDR 2004, 221; Urt. v. 20.1.2004 - XI ZR 460/02; Urt. v. 9.5.2006 - XI ZR 119/05, BGHReport 2006, 1184 = MDR 2006, 1060), so dass insoweit den einschlägigen Entscheidungen des BGH nur bedingte Aussagekraft zukommt. In diesen Entscheidungen hat der BGH bislang offen gelassen, ob ein Anscheinsbeweis zugunsten des in einer Haustürsituation geworbenen Verbrauchers nach der allgemeinen...