Entscheidungsstichwort (Thema)

Untersuchungshaft. Beschränkung. Haftzweck. Neuregelung. Odnung des Vollzugs. Beschränkungen der Untersuchungshaft. Geltung des § 119 StPO n.F.

 

Leitsatz (amtlich)

In Ländern, die bis zum 1. Januar 2010 noch keine landesgesetzlichen Regelungen zum Vollzug der Untersuchungshaft getroffen haben (hier: Hessen), gilt § 119 StPO a.F. nur insoweit fort, als Beschränkungen zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den Vollzugsstaaten zutreffend sind. Beschränkungen, soweit sie dem Zweck der Untersuchungshaft dienen, richten sich dagegen nach § 119 StPO n.F..

 

Normenkette

StPOEG § 13; StPO § 119

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Entscheidung vom 27.01.2010; Aktenzeichen 4900 Js 14429/09 C)

 

Tenor

Die Verfügung wird aufgehoben, soweit darin kein Anlass gesehen wird, dem Angeklagten Beschränkungen seiner Rechte aufzuerlegen (Ziff. 6).

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an die Vorsitzende der 2. Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Mit Anklage vom 23.12.2009, die mit Beschluss der 2. Strafkammer des Landgerichts Hanau vom 12.1.2010 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren zugelassen wurde, legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, am 16.12.2009 in Hanau mit Betäubungsmitteln (Marihuana und Ecstasy) in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Der Angeklagte soll in der Wohnung der gesondert verfolgten ..., seiner Mutter, sowie in seiner eigenen Wohnung insgesamt 4,482 Kilogramm Marihuana und 206 Ecstasy-Tabletten zum Zwecke der gewinnbringenden Weiterveräußerung verwahrt haben.

Bereits am 7. 1.2010 hatte die Staatsanwaltschaft beantragt, dem damaligen Angeschuldigten gem. § 119 I Nr. 1-3 StPO nF zur Abwehr der Haftgründe (Flucht- und Verdunkelungsgefahr) folgende Beschränkungen aufzuerlegen:

- der Empfang von Besuchen und die Telekommunikation bedürfen der Erlaubnis,

- Besuche, Telekommunikation sowie der Schrift- und Paketverkehr sind zu überwachen,

- die Übergabe von Gegenständen bei Besuchen bedarf der Erlaubnis.

Mit Verfügung vom 27.1.2010 sah die Vorsitzende der Kammer für die Bescheidung dieses Antrages keinen Anlass. In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 5.1.2010 werde darauf hingewiesen, dass nach § 13 EGStPO i. d. F. vom 29.7.2009 § 119 StPO in der bisher geltenden Fassung weiter gelte, längstens bis 31.12.2011, soweit der Untersuchungshaftvollzug in den einzelnen Ländern geregelt sei. Da Hessen eine entsprechende Regelung habe und noch keine Neuregelung erfolgt sei, gelte § 119 aF mit seinen Beschränkungen derzeit weiter, die beantragten Anordnungen seien nicht erforderlich.

Gegen diese Verfügung legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein, der die Vorsitzende unter Wiederholung ihrer Argumente nicht abgeholfen hat. Die begehrte Entscheidung sei angesichts der Neuregelung grundsätzlich möglich, aber in Ansehung der weiterhin geltenden bisherigen Vorschriften nicht erforderlich.

Die zulässige Beschwerde hat den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

Zu Unrecht geht die Vorsitzende davon aus, dass in Ansehung der weiterhin geltenden bisherigen Vorschriften die begehrte Entscheidung nicht erforderlich sei.

§ 119 StPO nF sieht - im Gegensatz zur bisher angewandten Untersuchungshaftvollzugsordnung - keine standardmäßigen Beschränkungen der Rechte des Untersuchungshaftgefangenen vor. Er sieht vielmehr vor, dass derartige Eingriffe in Grundrechte eines Untersuchungshäftlings angeordnet werden können . Sie müssen daher in jedem Einzelfall vom Gericht (hier der Vorsitzenden - § 126 II 1 StPO) gesondert getroffen und begründet werden (vgl. amtl. Begründung des Gesetzesentwurfs BT-Dr. 16/11644, S. 24; Bittmann, NStZ 2010, 13ff).

Nach § 13 EGStPO gilt in den Ländern, die bis zum 1.1.2010 noch keine landesgesetzlichen Regelungen zum Vollzug der Untersuchungshaft getroffen haben, bis zum Inkrafttreten solcher Regelungen, längstens jedoch bis zum 31.12.2011, § 119 StPO in der bis zum 31.12.1009 geltenden Fassung, soweit dort der Vollzug der Untersuchungshaft geregelt ist, neben der ab 1.1.2010 geltenden Fassung fort.

Daraus folgt, dass § 119 StPO aF nur weiter gilt, soweit Beschränkungen - durch die Vollzugsbehörde - zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den Vollzugsanstalten zu treffen sind. Beschränkungen soweit sie dem Zweck der Untersuchungshaft dienen, richten sich hingegen nach § 119 StPO nF.

Dies ergibt sich auch aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsausschusses vom 20.5.2009 (BT-Drs. 16/13097), in dem es zur Begründung (S. 19 ff) heißt:

"Durch den Entwurf wird der bisherige Inhalt von § 119 StPO aufgehoben. Damit entfallen die bisher in § 119 StPO enthaltenen Regelungen zum Untersuchungshaftvollzug.

Die Regelung des Untersuchungshaftvollzuges unterfällt durch die Neufassung von Art.74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) nunmehr der Gesetzgebungskompetenz der Länder. Nach dieser Bestimmung hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Untersuchun...

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